Oberkommissar geht in Ruhestand Oberkommissar geht in Ruhestand: "Zeit als ABV war die schönste"

Ballenstedt/Quedlinburg/MZ - Siegfried Bergmann ist wohl der bekannteste Polizist im Altkreis Quedlinburg. Der Oberkommissar war seit 1991 Verkehrssicherheitsberater, zuletzt im Revierkommissariat Quedlinburg. Er war ein Einzelkämpfer ohne Stellvertreter. War, denn Siegfried Bergmann ist kurz nach dem 60. Geburtstag aus dem Polizeidienst ausgeschieden. „Ich war gern Polizist“, sagt er. „Es war eine schöne Zeit. Aber es reicht nun auch. Ich bin froh, gesundheitlich und geistig noch richtig fit zu sein, und über Beschäftigung kann ich nicht klagen“, stellt der seit 1979 in Ballenstedt lebende Vater dreier erwachsener Kinder fest.
Ein Abschnittsbevollmächtigter (ABV) war in der DDR ein Polizist der Volkspolizei (VP), der in Gemeinden, Stadtbezirken und auf Streckenabschnitten der Reichsbahn eingesetzt wurde (Wikipedia). In seinem Abschnitt war er polizeilicher Ansprechpartner für die Bewohner und versah Streifendienst. Er war für die Aufnahme und Weiterleitung von Strafanzeigen und polizeiliche Prävention zuständig.
Der ABV hatte ähnliche Aufgaben wie ein heutiger Kontaktbereichsbeamter. Er bekleidete den Rang eines Unterleutnants oder Leutnants. Darüber hinaus war der ABV in seinem Abschnitt zuständig für Verkehrskontrollen, Kontrollen der Einhaltung der Meldepflicht (Hausbücher) und auswärtiger Besucher sowie die Kontrolle staatlich beauflagter Personen.
Er gab Einschätzungen über Bewohner seines Abschnitts ab, wenn beispielsweise über die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach einer Sperre oder über die Genehmigung einer Reise in das Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet entschieden werden sollte. Unterstützung erhielten die ABV in der DDR von den etwa 158 000 freiwilligen zivilen Helfern der VP, von denen rund 10 000 weiblich waren.
Siegfried Bergmann stammt aus der Uckermark, aus Rittgarten, einem kleinen Ort in der Nähe von Prenzlau. Nach der Schule und Lehre zum Zerspanungsfacharbeiter war er vier Jahre bei der Marine. „Als Obermaat entlassen, hätte ich gleich zur Polizei gehen können. Ich wurde auch gefragt, doch ich wollte nicht gleich wieder in eine Uniform schlüpfen und so ging ich in meinen erlernten Beruf“, erzählt er. Durch seine erste Frau kam Siegfried Bergmann nach Ballenstedt und arbeitete bei der damaligen Hydraulik, später Linde. „Ich merkte schnell, dass es nichts für mich ist, die Arbeit war zu eintönig. Also fragte ich meinerseits bei der Polizei nach, und wurde gleich genommen“, lächelt er. Nach zwei Jahren Fachschule in Wolfen konnte er seinen Dienst als ABV (Abschnittsbevollmächtigter) antreten. „ABV wollte ich werden, und rückblickend war das die schönste Zeit bei der Polizei“, bekennt der Oberkommissar a.D.
In Ballenstedt gab es vier ABV - er zeichnete für die Unterstadt und Opperode verantwortlich. Der Ansatz war ähnlich wie heute bei den Regionalbereichsbeamten. Die Aufnahme und Aufklärung von Diebstählen, kleineren Unfällen und vielen weiteren Delikten gehörten zu seinen Aufgaben. „Ich hatte einen guten Kontakt zu den Leuten, Probleme gab es eigentlich nicht“, erklärt er.
Welchen Posten Siegfried Bergmann nach der Wende bekam und welche negativen Erfahrungen er gemacht hat, lesen Sie auf Seite 2.
Dann kam die Wende, und es gab keinen ABV mehr. Siegfried Bergmann wurde, wie alle Menschen im öffentlichen Dienst, auf Stasimitarbeit überprüft. Da es nichts dergleichen gab, konnte er nahtlos seinen Dienst fortsetzen. 1991 wurde Siegfried Bergmann Verkehrssicherheitsberater beim damaligen Revier Quedlinburg und blieb es über 20 Jahre, bis zuletzt für den Altkreis. Nach Schulungen erweiterte sich der Themenkreis der Prävention, ob bei jungen Leuten zu Problemen im Straßenverkehr oder bei Senioren zum Schutz vor Betrügern. „21 Schulen, von der Grundschule bis zum Gymnasium, habe ich betreut“, erklärt der Expolizist. Es ging um sichere Schulwege mit Hinweisen für die Eltern, um die obligatorische Fahrradprüfung in den vierten Klassen bis hin zur Demonstration der Fahrtauglichkeit bei Jugendlichen im Gymnasium und in den Berufsschulen oder um Aufklärung zur Drogenprävention. Siegfried Bergmann war dadurch so bekannt wie kein anderer Polizist im Altkreis Quedlinburg. Nun übernehmen die Regionalbereichsbeamten seine Arbeit mit.
Auch negative Erfahrungen
Doch es gab auch negative Erfahrungen. Er nennt die Bewachung der Castortransporte mit Atommüll. Er selbst war nicht dabei, aber die jungen Kollegen, die dazu abgeordnet wurden, mussten ersetzt werden. Das war Mehrarbeit. Selbst dabei war er aber bei Einsätzen zur Absicherung von Fußballspielen, ob in Thale oder Magdeburg, und das ziemlich oft. Verständnis kann er dafür noch heute nicht aufbringen.
Mit dem Ausscheiden aus dem Dienst wird Siegfried Bergmann die Zeit nicht lang. „Hobbys habe ich mehrere, da kommt keine Langeweile auf“, betont er und zählt auf: „Ich repariere alle Geräte, vom Rasenmäher oder Küchengerät bis hin zum Motorrad oder Auto.“ Motorradfahren nennt er als zweites Hobby. Der Oberkommissar a.D. besitzt eine Suzuki Intrade, 800 Kubik. Die Ehefrau kommt als Sozius mit. Durch den Harz, aber auch schon bis zum Steinhuder Meer ging es sowie zum kurvenreichen Kyffhäuser. Die Rappbodetalsperre ist dagegen tabu. „Einmal und nicht wieder“, bekennt er: „Die rasen da, als ob es keine Straßenverkehrsordnung gibt. Für mich als Polizist ist das untragbar.“
Motorradfahren und Angeln
Doch mit dem Motorradfahren nicht genug, ist der ehemalige Oberkommissar auch passionierter Angler, organisiert im DAV, Ortsgruppe Rieder. Geangelt wird vorwiegend in Saale und Elbe. Die Teiche um Ballenstedt sind nicht so ergiebig. „Ich räuchere selbst, habe mir dafür einen Ofen gebaut“, denn er sorgt selbst für die Verwertung des Fangs. Und dann ist da noch ein erst vor Monaten saniertes und neu bezogenes Haus, ein Garten dort und ein zweiter etwas weiter weg. „Wo soll da Langeweile aufkommen?“