Nordharzer Städtebundtheater Nordharzer Städtebundtheater: "Romeo und Julia" als Rap in Verona

Quedlinburg - Wenn im Shakespeare-Jahr Regisseur Gregor Turecek „Romeo und Julia“, die berühmteste Herzschmerzgeschichte der Welt, als Sozialdrama auf die Bühne bringt, spaltet es das Publikum, so wie die weiße Bühnenlinie in der Auftaktszene separiert, so wie diese Liebes- und Leidenswelt geteilt ist.
Das Publikum erlebt einen prallen Shakespeare-Abend mit Spielwitz, derben Worten und mit Textverschiebungen, die Turecek seiner Botschaft aus dem 21. Jahrhundert unterordnet: Die Welt ist geteilt in Superreiche und den 99-prozentigen Rest der Welt, wie ein Obama-Zitat über der Shakespeare-Bühne leuchtet. Die Macht des Geldes steht der Kraft der Liebe im Wege.
Turecek kapriziert sich in seiner Romeo-und-Julia-Sicht nicht allein auf Klassenkampf, sondern schafft es, Sinnlichkeit und zärtliche Szenen zwischen den beiden Liebenden zu schaffen, obwohl immer wieder Gefahr fürs junge Glück lauert. Mona Luana Schneider und Curdin Caviezel füllen diese Rollen facettenreich bis hin zur berühmten Lerche-Nachtigall-Szene, die die einzige Liebesnacht, die ihnen bleibt, beschließt.
Konsequent erspart der Regisseur Darstellern wie Zuschauern ein Übermaß an romantisch-kitschigen Verrenkungen. Denn seine Julia ist nicht um die vierzehn und ihr Romeo ebenso wenig knapp 20, der Trend geht zum abgeschirmten Abchecken in eigenen Kreisen und zur späteren Liebe. Doch auch das endet in Mantua-Verbannung und Tod. Der Hass zwischen den Familien Capulet und Montagues macht eine Liebesbeziehung der Kinder unmöglich. Turecek setzt Musik vom Rap der zur Langeweile verdammten Straßenkinder in Verona bis zum Orgelklang und Julias von einer Mini-Band gespielten Leichensong als stützendes Element ebenso ein wie Filmeinspielungen.
Die Nordharzer Inszenierung will bei der Frage nach der allumfassenden Liebe, die als einzige mögliche Konsequenz den Tod nach sich zieht, weiter greifen und fragt nach der Relevanz für das heutige Glück. Der Regisseur hat sich mit seinen Darstellern damit intensiv auseinandergesetzt. Herausgekommen: Drei Stunden Sicht auf Shakespeare aus dem Fokus einer globalisierten Welt und eine starke Ensemble-Leistung.
Die nächste Vorstellung gibt es am Samstag, 22. Oktober, um 19.30 Uhr im Theater Halberstadt. (mz)