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Navid (18 Navid aus Afghanistan: Flüchtling mit Job im Quedlinburger Restaurant Del Quixote droht Abschiebung

Von Felix Fahnert 04.12.2018, 09:36
Auszubildender Navid Ahmadi serviert im Quedlinburger Restaurant „Del Quixote“ einen Kaffee.
Auszubildender Navid Ahmadi serviert im Quedlinburger Restaurant „Del Quixote“ einen Kaffee. Marco Junghans

Quedlinburg - Im „Del Quixote“ herrscht dieser Tage Hochbetrieb. Das spanische Restaurant in Quedlinburg ist ein beliebtes Ziel, die Mitarbeiter haben ordentlich zu tun. Mitten in der Adventszeit plagt die Betreiber jedoch eine große Sorge: Ihrem 18-jährigen Auszubildenden Navid Ahmadi droht die Abschiebung nach Afghanistan - und das Unverständnis ist groß.

„Wir brauchen Navid hier, er ist ein super Auszubildender“, sagt Ulrike Lavilla Muriel, die das Lokal zusammen mit ihrem Mann Manuel betreibt. „Überall werden Fachkräfte gesucht. Da findet man einen fähigen Mitarbeiter - und dann kommt die Ausländerbehörde.“

„Navid ist ein super Auszubildender“

Für Navid Ahmadi selbst ist die Situation schwer zu ertragen - angesichts seiner Geschichte verwundert das kaum. Im Sommer 2015 floh er aus seiner afghanischen Heimat Kapisa nordöstlich von Kabul. Allein, und im Alter von 15 Jahren. „Es herrschte Krieg. Wenn ich schlief, hab ich die Bomben und Schießereien gehört“, erzählt er.

Sein Vater riet ihm schweren Herzens zur Flucht. Über Pakistan und den Iran floh Ahmadi mit mehreren hundert Leuten zunächst in die Türkei, verunsichert und unter Todesangst. „Es wurde auf uns geschossen, wir sind gelaufen bis wir nicht mehr konnten, 20 Stunden pro Tag.“ Von hier aus ging es nach Griechenland und schließlich nach Deutschland.

Seit Oktober 2015 lebt Navid in Neinstedt

Seit seiner Ankunft im Oktober 2015 lebt er in einer Unterkunft für Geflüchtete in Neinstedt. Ahmadi fühlte sich von Beginn an wohl in der Region, fand schnell Freunde und lernte ehrgeizig die deutsche Sprache. Nach mehreren Kursen hat er mittlerweile das Sprachzertifikat B2 erworben, immerhin die dritthöchste. „Ich wollte mich immer integrieren“, sagt er.

Doch Mitte des Jahres 2016 plötzlich die Hiobsbotschaft: Ahmadis Asylantrag wurde abgelehnt, er soll zurück nach Afghanistan, wo es sicher genug sei. „Ich war schockiert. Wie konnten sie mir das antun?“ Zusammen mit den Betreuern seiner Unterkunft legte er Widerspruch

Widerspruch gegen Ablehnung des Asylantrags

ein. Ahmadi gab nicht auf, er wollte arbeiten und eine Ausbildung starten. Neben den Integrationskursen sammelte er bei begleitenden Maßnahmen und später in mehreren Praktika Arbeitserfahrung, unter anderem bei einer Schweißerei in Thale, als Kfz-Mechaniker - und schließlich im Frühjahr 2018 für vier Wochen im Restaurant „Del Quixote“.

„Navid hat von Anfang an sehr schnell gelernt“, sagt Betreiberin Ulrike Lavilla Muriel. Und so konnte er hier Mitte August seine duale Ausbildung zum Fachkraft im Gastgewerbe beginnen - nachdem die Ausländerbehörde endlich verspätet Arbeitserlaubnis erteilte.

„Navid ist ein Beispiel für viele junge Leute, dass man mit Kraft und Willen seine Ziele erreichen kann“, sagt auch Manuel Lavilla Muriel. Aus dem Lokal ist er mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Ahmadis großes Ziel ist es, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen - und irgendwann hier in der Gegend ein eigenes Lokal zu eröffnen.

Navid träumt von einem eigenen Restaurant

Mit Gerichten aus Afghanistan, gemütlicher Atmosphäre, und für die, die möchten, soll es natürlich auch Alkohol geben. „Mir selbst bekommt er aber nicht so gut“, sagt er schmunzelnd, während er der Kollegin hilft, eine Weinflasche zu öffnen. Navid ist zweifellos angekommen im Arbeitsalltag. „Ich fühle mich hier zuhause.“

Im November folgte nun aber ein plötzlicher Rückschlag: Die Übernahme der Verfahrenskosten wird nicht gewährt, zu klar sei die Sachlage. Die Zeichen stehen auf Abschiebung. „Man muss da wirklich mal genau hinsehen, wen man da abschieben will“, meint Ulrike Lavilla Muriel.

Industrie- und Handwerkskammer kritisiert die geplante Abschiebung

Auch die Industrie- und Handwerkskammer kritisiert den Fall scharf. „Aus Sicht der IHK Magdeburg widerspricht diese Vorgehensweise allen Bemühungen einer aktiven Integration und vor allem der Fachkräftesicherung“, sagt Susanne Dörrwand, Geschäftsführerin Handel, Dienstleistungen und Unternehmensförderung.

„Wir erwarten, dass die Entscheidungen in den Ausländerbehörden nachvollziehbarer und verlässlicher getroffen werden. Die Kosten für die Abschiebungen stehen auch in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Einnahmen bei Steuern und Sozialabgaben.“

Ein Gerichtstermin steht noch an, bei dem dann eine Entscheidung verkündet wird. „Das kann jederzeit sein“, sagt er. Noch wurde ihm jedoch kein Termin mitgeteilt. Dass in seiner Heimat Krieg herrscht, erfährt Ahmadi ständig aus den Nachrichten. An eine Rückkehr mag er deshalb kaum denken. Zumal auch seine Eltern mittlerweile in den Iran geflohen sind - Ahmadi wäre also völlig allein in Afghanistan.

Nun freut sich der 18-Jährige aber erstmal auf die Weihnachtszeit. „Ich feire gerne mit“, sagt er, „die Religion ist doch egal. Menschen sind Menschen.“ (mz)