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Moses vor brennendem Busch

Von ANDREAS BÜRKNER 10.11.2008, 19:03

QUEDLINBURG/MZ. - Den "Exodus Zyklus", die Ausstellung des französischen Bibelmalers Marc Chagall mit weißrussischen Wurzeln im Haus der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Quedlinburg / Harzgerode, besuchte er bereits zum zweiten Mal. Zur Ausstellung "Bilder zur Bibel" im Vorjahr an gleicher Stelle hatte das Kirchenmitglied sogar eine Farblithographie erworben, nachdem ihn das Buchgeschenk seines Sohnes "Chagall träumt Gott" tiefer in die Gedankenwelt des Künstlers eindringen ließ.

Zum ersten Mal hingegen betrachtete Heidi Buchholz aus Quedlinburg die 24 Original-Farblithografien von 1966 sowie die zehn Jahre zuvor entstandenen Radierungen zum gleichen Thema "Exodus", dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten unter Führung von Moses. Beeindruckt war sie einerseits von den Bedeutungen der Farben, aber auch von inhaltlichen Übereinstimmungen beider Gestaltungsstile.

"Die Bilder sind voller Symbolik", erklärte Gemeindeleiter Reimar Keckstadt, einer der "angelernten Ausstellungsführer" und ergänzte: "Sie wollen langsam entschlüsselt und erkannt werden." Voraussetzung sei allerdings die Kenntnis der Geschichte des Moses aus der Bibel, um die Motive vom Knaben im Weidenkörbchen, dem brennenden Dornbusch oder Empfang der zehn Gebote, das geteilte Rote Meer, den Tanz ums goldene Kalb oder die Schlange im Stab begreifen zu können. Er verwies besonders auf die wiederkehrenden Hörner auf Moses Kopf, was auf einen Übersetzungsfehler der nur aus Konsonanten bestehenden Schrift basiere. Wer es allerdings genauer wissen möchte, sollte sich die Bilder schon selbst anschauen, um die Sinndeutungen zu erfahren. Gleich drei Gründe fand Pastor Markus Schmitz für die Schau gerade in Quedlinburg: "Einerseits ist der Glaube der Gemeinde eng mit der jüdischen Geschichte verwurzelt", zum zweiten sei gerade Halberstadt neben Frankfurt / Main früher ein Zentrum jüdischer Kultur und Chagall selbst Jude gewesen. Und "schließlich bietet Quedlinburg als Kunststadt einen würdigen Rahmen", vergaß er beiläufig nicht unerwähnt zu lassen, dass die Besitzer der Ausstellung Mitglieder seiner Freikirche sind.

Die studierte Kunsthistorikerin und Theologin Iris Traudisch aus Wiehl bei Köln und ihr Mann Hartmut Schröter, ein Kunst- und Buchhändler, "kennen wiederum den Mainzer Pfarrer Klaus Mayer, in dessen Pfarrkirche St. Stephan neun Fenster nach Entwürfen Chagalls gestaltet wurden", schloss sich der Kreis zum Künstler.

Marc Chagall, der "Maler mit dem Engel im Kopf", wie Picasso seinen Kollegen einst bezeichnete, wuchs schon als Kind mit der Bibel auf. "Er arbeitete später auch in Palästina, unter anderem an Fenstern für die Synagoge der Hadassah-Universitätsklinik Jerusalem", erläuterte Gemeindemitglied und Studentin der Kulturwissenschaften Beatrice Griguhn aus Neinstedt den Besuchern, und konnte auf eine weitere Besonderheit der Ausstellung neben der umfangreichen Sammlung von Gegenständen aus dem religiösen Leben der Juden in einer beleuchtbaren Vitrine sowie der Buchausstellung zum Thema Chagall und dem Judentum verweisen: "Aus den Entwürfen für Jerusalem hat Charles Sorlier, ein enger Mitarbeiter Chagalls, zwölf Farblithographien gefertigt, auf denen jeweils ein Stamm Israels gleich der zwölf Söhne Moses zu sehen sind." Für nächstes Jahr sei allerdings eine Ausstellung mit einheimischen Künstlern geplant, kündigte Schmitz an, danach solle mit Chagall fortgesetzt werden, z. B. der "Engelausstellung" oder "Der andere Chagall". Jeder könne kommen, ob Christ oder nicht, gibt er auch jenen eine Chance, "die sich Kunst und Kultur nicht mehr leisten können - der Eintritt ist frei."

Noch geöffnet morgen von 10 bis 12 und 15 bis 19 Uhr oder auf Anfrage. Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Quedlinburg, Neustädter Kirchhof 12. Führungen jeweils zur vollen Stunde, Gruppen sollten sich unter (03946) 907237 oder (0173) 2840661 vorher anmelden.