Militärsport in Quedlinburg Militärsport in Quedlinburg: Extremsport statt Aktenarbeit

Quedlinburg/MZ - Wer mit dem Gewehr nicht trifft, muss eine bis zu vier Kilometer lange Strafrunde laufen. Wer bei der Geländeorientierung Punkte nicht findet, bekommt bis zu 45 Strafminuten. Und wer am Ende des ersten Tages nicht binnen zehn Stunden im Ziel ist, der scheidet aus. Es sind strenge Regeln, die bei dem Wettkampf gelten, dem sich ein Quedlinburger und ein Kamerad aus Oschersleben vor einigen Tagen in den Niederlanden gestellt hatten. „Das waren richtig knackige Strafen. Nach dem ersten Tag waren 40 Prozent aller Mannschaften ausgeschieden oder wurden disqualifiziert“, sagt Stephan Kokott. Der 38-jährige Major der Reserve war zusammen mit dem Hauptmann der Reserve, Benjamin Kanngießer, als eines von zwölf deutschen Teams bei der 66. Auflage des TMPT, eines zweitägigen militärischen Vielseitigkeitswettkampfes.
325 Mannschaften kamen zu dem extremen militärsportlichen Wettkampf (siehe Kasten), bei dem es nicht um den Sieg ging, sondern einfach um das Durchstehen. „Allein das Bestehen ist Auszeichnung genug und wird mit der Verleihung des TMPT-Kreuzes an alle Finisher belohnt.“ Orientierungslaufen, Orientierungsfahren mit dem Rad, eine Hindernisbahn überwinden, Schießen, Handgranaten-Zielwerfen und Märsche galt es binnen zehn Stunden an jedem Tag zu absolvieren. Kokott ist glücklich und stolz, dass er diese extremen Parcours mit Kanngießer am ersten Tag binnen siebeneinhalb Stunden und am zweiten binnen achteinhalb Stunden ohne jeden Fehler bewältigt hat.
Sport statt Papierdreikampf
Es ist ein Erfolg, der nicht von ungefähr kommt. Angesichts der heutigen zivilen Berufe der beiden Sachsen-Anhalter - Kokott ist Beamter des Landes und Kanngießer Angestellter der Agentur für Arbeit - könnte man träge Mitarbeiter vermuten „die sich mehr dem Papierdreikampf widmen“, weiß der Quedlinburger. Doch Kokott ist Sportler durch und durch.
In seiner Jugend war Kokott Taekwon-Do-Sportler bei der TSG GutsMuths Quedlinburg. Bei der Bundeswehr diente er bei einer Fallschirmjägerspezialeinheit. Danach studierte er Sportwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und schrieb eine wissenschaftliche Arbeit in Biomechanik, die sogar im Academia-Verlag Leipzig publiziert wurde. Während des Studiums fand er zum Militärischen Fünfkampf. Er wurde Mitglied der Nationalmannschaft und schaffte es mit dem Team sogar, im Jahr 2000 Weltmeister zu werden. Später ging er als Dozent und Truppenfachlehrer für Sport an die Offiziershochschule des Heeres nach Dresden. Familiäre Gründe bewogen ihn dann aber dazu, mit 30 Jahren noch einmal umzusatteln und in die Heimat zurückzukehren. „Mit 30 habe ich ein zweites Studium begonnen an der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben. Ich bin nun Polizei-Kommissar.“
Wie stapelt man Sandsäcke?
Dem Militärsport blieb er aber treu. Der als Mitglied der Nationalmannschaft nötige Trainingsumfang konnte zwar nicht beibehalten werden, doch immer dann, wenn neue Herausforderungen locken, bereitet sich Stephan Kokott intensiv darauf vor. Sechs Tage pro Woche wird die Ausdauer bei langen Läufen und Radtouren oder auf dem Ergometer trainiert und die Kraft auf einem eigens dafür eingerichteten Fitnessraum im heimischen Keller. Kokott weiß genau, worauf es ankommt. Und er hat die nötige Eigenmotivation, um sich neben der Arbeit und der Familie noch solchen Herausforderungen zu stellen. Unterstützt wird er dabei auch vom Landeskommando Sachsen-Anhalt. Bei den Deutschen Reservistenmeisterschaften im Militärischen Fünfkampf war Kokott mit vier weiteren Kameraden 2013 Zweiter geworden. Dort gab es aber neben den sportlichen Disziplinen aber auch mit dem Hintergrund der Hochwasserkatastrophe noch Kenntnisse nachzuweisen, wie beispielsweise Sandsäcke in einer vernünftigen Zeit so verbaut werden, dass sie nicht weggespült werden. „Wenn man da keine Ahnung hat, fällt man rigoros durch.“
Die Aufgaben gleichen denen eines Abenteuerrennen, wie es eine Truppe Holländer schon mehrfach mit „The Harz“ in der Region durchgeführt hat. Doch an einen solchen Wettkampf in leichten Sportsachen statt Uniformen, die bei Nässe richtig schwer werden, haben die beiden Militärsportler noch nicht ernsthaft gedacht. Statt dessen sind die Deutschen Meisterschaften 2015 ihr nächstes großes Ziel. Und Kokott dankt vor allem seiner Frau, „ohne ihre Unterstützung wäre eine erfolgreiche Teilnahme nicht möglich gewesen“.

