Matinee Matinee: Schatzjäger berichtet über Raub der Quedlinburger Kulturgüter
Quedlinburg/MZ - Der Quedlinburger Domschatz hat das Leben von Willi Korte komplett verändert. Der Jurist und Historiker gilt heute weltweit als Spezialist für das Auffinden und die Rückführung geraubter Kunstschätze. Auslöser dafür waren die Kostbarkeiten aus der Stiftskirche, die 1945 gestohlen wurden und 48 Jahre später wieder an ihrem angestammten Platz in Sankt Servatius zurück kehrten. Kunst-Fahnder Korte hatte sie nach intensiven Recherchen entdeckt. Auch heute noch erinnert er sich genau an den Moment vor knapp 25 Jahren, als er zum ersten Mal in natura sah, was er zuvor nur von Bildern und Beschreibungen kannte: „Der Anblick des Domschatzes war der Moment in meinem Leben“, sagt Korte und gesteht, nicht einmal bei der Geburt seiner Kinder aufgeregter gewesen zu sein, als damals in der Bank einer texanischen Kleinstadt.
Von Texas in den Harz
In der voll besetzten Blasiikirche ließ Korte gestern Vormittag noch einmal die Ereignisse rund um die 1945 geraubten Quedlinburger Kunst- und Kulturgüter lebendig werden. Der Mann, für den die USA mittlerweile zweite Heimat geworden sind, beschrieb, wo und wie er suchte und schließlich fündig wurde. Und wie es gelang, dass bis auf zwei Teile alle Stücke ihren Weg von Texas in den Harz fanden. Diese zwei – ein Reliquienkreuz und ein Bergkristallflakon in Form einer Mitra - sind bislang nicht wieder aufgetaucht. Einen letzten Hinweis auf sie hatte es im Sommer 1999 gegeben. Eine Nichte des Schatzräubers Joe Meador soll so ein „komisch geformtes Glasding mit Verzierungen“ besessen haben, meinte der Informant. Gefunden wurde der Flakon jedoch nicht. Korte ist sich sicher, dass die fehlenden Stücke zunächst im Familien- und Bekanntenkreis von Meador geblieben sind. Aber was war dann? „Es gibt gewisse Chancen, dass sie noch da sind“, meint der Schatzsucher. Korte bedauert, dass bei den ersten Nachforschungen in den Jahren 1989 und 1990 nicht alle Ehepartner und Freunde der Mitglieder der Familie Meador befragt wurden. Heute würde er das tun, sagt er. Vielleicht seien wichtige Informationen nicht zusammen getragen worden.
Auslöser für Veränderungen
Die Geschichte des Quedlinburger Domschatzes ist laut Korte Auslöser für viele Veränderungen gewesen. Der Blick auf geraubte Kunst- und Kulturschätze habe sich verändert. „Heute bin ich nicht als kunsthistorisch interessierte Sucher allein unterwegs“, sagt der 59-Jährige. „Jetzt arbeite ich mit den Strafverfolgungsbehörden der USA zusammen. Das ist ein erheblicher Unterschied zur Zeit der Domschatzrückführung“, meint er. Und spricht einen großen Satz mit Schmunzeln aus: „Ich habe als interessierte Privatperson eine Weltsensation losgetreten.“ Denn nie zuvor seien so wertvolle geraubte Gegenstände von ungeheurer historischer Bedeutung auf diese Art und Weise wieder an ihren Ursprungsort gelangt. Für die Rückkehr des Schatzes nach Quedlinburg sieht Korte außerdem eine Menge „Fügungen des Schicksals“. Dazu gehört beispielsweise, dass sich die politischen Verhältnisse in Deutschland, Europa und der Welt gerade zu jener Zeit veränderten. Der Quedlinburger Domschatz hat das Leben von Willi Korte verändert. „Seit einem guten Vierteljahrhundert bin ich damit beschäftigt, verschollene Kunstschätze zu finden und zurück zu führen“, beschreibt er sein Tun. Gegenwärtig kümmere er sich um zwei Bilder aus Kiew, die im Zweiten Weltkrieg während der deutschen Besetzung abtransportiert wurden und nun auf dem Kunstmarkt aufgetaucht sind. Jetzt ermitteln die amerikanischen Behörden. Den Auftrag erhielt der Kunstfahnder übrigens bei einem Kongress von der Kuratorin des Kiewer Museums. „Herr Korte, Sie wissen doch, wie man so etwas macht“, sprach sie ihn an und hatte dabei die Geschichte des Quedlinburger Domschatzes im Gedächtnis.
Urkunde bei Festakt
Mit dieser Geschichte hat sich Willi Korte um die Stadt Quedlinburg verdient gemacht, wie es auf der Urkunde heißt, die den Schatzjäger seit dem gestrigen Spätnachmittag zum Ehrenbürger Quedlinburgs macht. Die Ehrenbürgerschaft wurde ihm auf Antrag der Fraktion Bürgerforum im Quedlinburger Stadtrat verliehen. Erst vor kurzem, am 29. August, war der entsprechende Beschluss gefasst worden. Bei einem Festakt trug sich der neue Ehrenbürger in das Goldene Buch der Stadt ein. Der Schauplatz dafür war die Stiftskirche St. Servatii, in der Domschatz wieder, wie in Jahrhunderten zuvor, seine Heimat hat.
In seiner Laudatio betonte Bürgermeister Eberhard Brecht (SPD), dass die Wiederkehr des Domschatzes viele Helfer hatte. Wie beispielsweise Friedemann Goßlau, Pfarrer im Ruhestand und Ehrenbürger der Stadt, der den Schatz auf der Reise von den USA nach Deutschland begleitet hatte. An Korte gewandt sagte er: „Der heutige Tag ist eine späte, aber nicht zu späte Würdigung ihrer oft mühseligen aber sehr erfolgreichen Arbeit.“
Anlässlich der 20. Wiederkehr der Rückführung des Schatzes nach Quedlinburg gab es einen Festgottesdienst und wurde eine Ausstellung über die Geschichte der wertvollen Stücke und die Odyssee, die hinter ihnen liegt eröffnet. Sie ist in der Stiftskirche zu sehen und schildert mit verständlichen Texten und einer Vielzahl Fotos Einzelheiten der einzelnen Stationen.