Unfälle, Selbstmorde, Verbrechen Marco Müller von der Mittag GmbH Quedlinburg ist seit fünf Jahren Tatortreiniger: Dieser Mann beseitigt Spuren von Toten

Quedlinburg - Er wird an Orte gerufen, wo Menschen durch Unfälle verletzt oder getötet wurden. An Orte, wo Menschen eines natürlichen Todes gestorben sind, sich das Leben genommen haben oder gar Opfer eines Verbrechens wurden. Seine Arbeit beginnt, wenn Rettungskräfte, Ordnungsamt, Bestatter und, je nach Fall, auch die Polizei ihre getan haben. Marco Müller ist Tatortreiniger.
Der 51-Jährige ist gelernter Drucker. Seit 2010 arbeitet er bei der Quedlinburger Mittag GmbH Gebäudeservice als Glas- und Gebäudereiniger. Fenster putzen, Fußböden pflegen - „das mache ich alles“, sagt Marco Müller.
Seit fünf Jahren arbeitet Müller als Tatortreiniger, seit zehn Jahren ist er Feuerwehrmann in Mehringen bei Aschersleben
Zu diesen Aufgaben sind vor rund fünf Jahren ganz spezielle hinzugekommen: Sein Arbeitgeber hatte eine Anfrage wegen einer Tatorteinigung erhalten - und gefragt, ob sich dafür jemand schulen lassen und solche Arbeiten künftig übernehmen wolle.
„Ich habe gesagt, ich würde das machen. Da muss man ja schon ein bisschen belastbar sein“, erklärt Marco Müller, der seit zehn Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr in seinem Heimatort Mehringen (Salzlandkreis) aktiv ist. „Da hat man ja auch schon ein bisschen was gesehen.“
Marco Müller - und ein Kollege, der sich ebenfalls gemeldet hatte - wurden zur Schulung nach Frankfurt/Main geschickt. Zwei Wochenenden, von Freitag bis Sonntag, stand nicht nur das Reinigen selbst und worauf bei der eigenen Hygiene zu achten ist, im Mittelpunkt, sondern auch Rechtliches.
„Meist wird abgesprochen, was sollen und dürfen wir machen - und was nicht“
Zwar habe zu den Einsätzen auch schon mal einer nach einer Prügelei im Treppenhaus gehört, „nach der reichlich Blut vorhanden war. Das haben wir auch weggemacht“. Doch meist sei jemand gestorben, sei ein Raum, eine Wohnung in einen Zustand zu bringen, das sie wieder nutzbar ist.
„Wenn man einen solchen Ort hat, kann man nicht mal eben reingehen und loslegen“, sagt er. „Das sind auch Erbschaftsfälle, wo man nicht einfach Sachen rausnehmen kann, selbst wenn sie kontaminiert sind. Man kann beispielsweise einen Stuhl, selbst, wenn der gar nicht mehr nutzbar ist, nicht einfach entsorgen.“
Da werde mit den Angehörigen Kontakt aufgenommen, „wird meist vor Ort abgesprochen, was sollen und dürfen wir machen und was nicht“. Das, sagt Marco Müller, sei auch das Schwierige: mit den Angehörigen umzugehen.
„Dabei erfahren wir auch Schicksale, die dahinterstehen.“ Auch hier würden ihm die Erfahrungen aus seinem Ehrenamt bei der Feuerwehr helfen. „Wir müssen beispielsweise bei Unfällen auch Menschen betreuen, die nicht verletzt wurden.“
Aus organischen Material bekommt man den Leichengeruch nicht mehr heraus
Das Reinigen selbst? Der Umfang, sagt Müller, „hängt davon ab, wie lange der Tote schon dort lag“. Glas und Metall würden sich von Blut oder anderen Spuren von Todesfällen reinigen lassen. „Alles andere? Wenn da der Geruch einmal drin ist, bekommt man den nicht mehr heraus“, so der 51-Jährige.
Angefordert würden er und sein Kollege aber „zum Glück nur ein, zweimal im Jahr. Auch wenn die Tendenz zur Gleichgültigkeit zunimmt, bei uns achtet man noch aufeinander. Wenn zwei Tage die Läden unten sind, klingelt man“.
Ob nun durch Angehörige oder Vermieter angefordert, Diskretion ist für Müller und seinen Kollegen oberstes Gebot. Mit einem Auto, das aussieht wie alle anderen im Reinigungseinsatz, trifft er ein, Schutzkleidung, Brille, Atemschutz werden erst im Inneren des Gebäudes angelegt - und über die Einsätze wird nichts nach außen getragen.
Über seine Einsätze redet er nur mit Kollegen, sonst werde nichts nach außen getragen, sagt Marco Müller
Die Bilder, die er sehe, die Schicksale, von denen er höre, „darüber kann man sich mit dem Kollegen austauschen, sich, wenn man etwas hat, das gleich von der Seele reden“, sagt Müller. „Wenn man es gar nicht verkraftet, kann man auch einen Seelsorger holen.“ Das sei noch nicht erforderlich gewesen. Und als Tatorteiniger zu arbeiten, habe er auch noch nicht bereut. „Sonst würde ich es machen“, sagt Müller und fügt hinzu: „Es werden einige froh sein, dass es unseren Job gibt.“ (mz)