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Landkreis Harz Landkreis Harz: Von einer Garagenfirma zu einem Spitzenunternehmen

Von GERD ALPERMANN 03.09.2010, 14:32

THALE/MZ. - Corodur Verschleiss-Schutz GmbH steht für innovative Spitzenleistungen - made in Thale. Begonnen hatte alles vor 20 Jahren. Am 14. September 1990, wenige Wochen vor der deutschen Einheit, wurde mit dem Eintrag beim staatlichen Notariat in Quedlinburg die GmbH gegründet und mit zehn Mitarbeitern, die im EHW (Eisen- und Hüttenwerk) gearbeitet hatten, gestartet.

Durch fehlendes Know-how war das Zusammengehen mit der Firma Corodur aus Krefeld einfach notwendig, erklärt Geschäftsführer Dr. Bernd Reichmann, der zusammen mit Uljane Eichler und Frank Napalowski die Firma gründete und noch heute gemeinsam leitet. Das alte Kesselhaus der Pulvermetallurgie des EHW wurde gemietet und zur ersten Produktionsstätte der Firma. Die Thalenser führten Lohnarbeit für Krefeld aus, da es zunächst an einem Kundenkreis mangelte. Corodur Thale schickte Arbeitskräfte nach Krefeld, um sich mit der modernen Technologie zur Herstellung von Fülldrähten vertraut zu machen. Diese Fülldrähte haben einen Durchmesser von 1,2 und bis 4,0 Millimeter. Ihr Inneres besteht aus Metallpulver, zum Beispiel aus Chrom, Mangan, Niob, Vanadin, Molybdän, Wolfram, alles hochwertige Metalle. Diese Drähte werden auf Verschleißsteile, unter anderem im Bergbau oder in der Metallurgie, geschweißt, wodurch deren Oberfläche veredelt, die Haltbarkeitsdauer verbessert und entsprechend Geld gespart wird.

Neue Firma gegründet

In den ersten Jahren wurden, nach dem eine Maschine von der Mutterfirma erworben worden war, Schritt für Schritt eigene Aggregate für die Produktion gebaut, neue Drähte entwickelt und Kunden akquiriert. Durch eine Förderung des Bundes konnten existenzsichernde Neuentwicklungen auf den Weg gebracht werden. Ein Schritt, der sich noch heute positiv auswirkt, war der Aufbau eines weiteren Standbeins. Nicht mehr nur Fülldrähte wurden hergestellt, sondern diese auch auf Werkzeuge und Maschinenverschleißteile der Kunden aufgeschweißt. Dazu entstand eine neue Firma, da der Krefelder Mitgesellschafter diesen Schritt als Konkurrenzmachen im eigenen Haus ablehnte. Für diesen Kundendienst kaufte das Unternehmen alte Garagen des ehemaligen Gefängnisses und richtete sie für diese Arbeiten her. "Wir sind also eine richtige Garagenfirma gewesen", spielt Bernd Reichmann auf bekannte und erfolgreiche Firmengründungen in den USA an.

Zuvor war schon das zunächst gemietete Kesselhaus der EHW-Pulvermetallurgie erworben worden. Der dazu notwendige Kredit wurde von der Dresdner Bank mit einer siebenfachen Bürgschaft ausgereicht. "Das war deshalb unser erster und letzter Kredit. Von wegen Unterstützung für junge aufstrebende Unternehmen. Wir haben davon nichts gespürt", erklären die Geschäftsführer. Doch Corodur in Thale entwickelte sich trotzdem. In den Jahren 1996 / 97 wurde eine 20 mal 60 Meter große Halle für die Schweißarbeiten errichtet.

Produktname Corthal

Eine einschneidende Zäsur ergab sich im Jahr 2000. Bis dahin musste der Gewinn jährlich ausgeschüttet werden. Doch über Fördermittel von Land und Bund konnten Forschungsthemen eingereicht werden, die zu neuen Produkten und Entwicklungen führten. 2000 geriet die Firma in Krefeld in finanzielle Schwierigkeiten, so dass der Krefelder Firmenbesitzer seine Anteile an der Corodur Thale an die jetzigen Gesellschafter Uljane Eichler, Frank Napalowski und Dr.-Ing. Bernd Reichmann verkaufte. Zur Abgrenzung wurde der neue Produktname Corthal als Warenzeichen eingetragen. Die bis dahin getrennten Firmen, für die Fülldrahtproduktion und die Aufschweißarbeiten, wurden zusammen geführt. 2002 / 2003 entstanden zwei weitere Hallen.

Ab 2001 wurden keine Gewinne mehr ausgeschüttet, sondern die erwirtschafteten Gelder für die Produktentwicklung und die Erhöhung der Effektivität des Unternehmens, bei ständiger Verbesserung der Arbeitsbedingungen, eingesetzt. Bereits seit 1996 ist Corodur Thale nicht nur auf dem deutschen Markt tätig. Zunächst überließ die Mutterfirma in Krefeld den Thalensern nur den osteuropäischen Markt. Nach der Trennung kamen alle wichtigen Länder Westeuropas, Nordamerikas und Asiens hinzu. Heute sind es über 30 Länder, in denen Corodur präsent ist. Als leistungsstarkes Unternehmen gehört Corodur Thale zu den etwa sechs führenden in der Branche, wobei Deutschland auf diesem Gebiet einen Spitzenplatz einnimmt.

Heute hat Corodur in Thale rund 100 Mitarbeiter, darunter zehn Lehrlinge und drei Werkstudenten, die mit Stipendien der Firma in Magdeburg und Jena studieren. Mehrere Betriebe, darunter Corodur, und die Stadt Thale haben sich zu einer Ausbildungsoffensive zusammen geschlossen, um Fachkräfte zu gewinnen und junge Leute in der Stadt zu halten. Die Grundausbildung erfolgt zunächst im BTZ in Thale, die Spezialisierung im zweiten Lehrjahr in den Betrieben. Werkzeugmacher, Industriemechaniker und Industriekaufleute werden bei Corodur ausgebildet. "Alle, die es wollen und gut sind, werden übernommen", betont Bernd Reichmann.

2003 / 2004 modernisierte Corodur seinen Maschinenpark, neue Maschinen wurden angeschafft, darunter CNC-Werkzeugmaschinen. Seit 2006 sitzt die Geschäftsleitung im Pulvermetallurgischen Competenz-Centrum (PMC). Das Unternehmen engagiert sich bei Forschungsvorhaben, die den Standort Thale für die Zukunft fit machen sollen. Dazu hat das PMC vom Bundesforschungsministerium entsprechende finanzielle Mittel als Förderung erhalten. Bis 2013 soll daraus ein gemeinsamer Wachstumskern mit anderen Unternehmen für neue Produkte, Technologien und Arbeitsplätze entstehen.

Investition verzögerte sich

2008 stieß Corodur an die Grenzen seiner Möglichkeiten und brauchte neue Flächen. Eine neue Halle war bereits konzipiert und sollte gebaut werden. Doch die weltweite Wirtschaftskrise verzögerte die Investition. Der Umsatz sank 2009 merklich gegenüber dem Vorjahr. Doch der Entschluss aus den 1990er Jahren, mehrere Standbeine zu haben, und auch Dienstleister, zum Beispiel beim Aufschweißen von Fülldraht, zu sein, zahlte sich jetzt aus. Es war kein Kurzarbeitergeld notwendig und es gab keine Entlassungen beim Stammpersonal. Nach einem Umsatz von 14 Millionen Euro 2007 und 17 Millionen 2008 wurden 2009 rund zehn Millionen Euro erreicht, etwa so viel wie 2006. Dabei befand sich Corodur noch im Bereich der schwarzen Zahlen.

Da die Mitarbeiter so qualifiziert wurden, dass sie flexibel auch an anderen Maschinen eingesetzt werden können, gab es keine Stilllegungen. Es wurde und wird im Drei-Schicht-System gearbeitet. Auch das sehen die Geschäftsführer als Vorteil gegenüber Mitbewerbern an, die nur ein- oder zweischichtig ihre Anlagen auslasten. Der Aufwärtstrend der Industrieproduktion in diesem Jahr zeigt sich bei Corodur auch darin, dass die geplante Halle nun gebaut wird. Bis Ende des Jahres werden dafür 1,2 Millionen Euro investiert und im Januar 2011 ist Produktionsstart. Dort bestehen dann die Kapazitäten für die Produktion von neuen Erzeugnissen. Die Konzentration von Fertigung, Dienstleistung, Forschung und Entwicklung an einem Ort wissen die Kunden von Corodur Thale zu schätzen und Vorteil bringend zur Lösung ihrer Verschleißprobleme zu nutzen, betont Bernd Reichmann.