Grabung Kupfermünze und Zahnersatz an Quedlinburger Schule gefunden
Vor Bauarbeiten untersucht das Team der Kreisarchäologie Flächen am GutsMuths-Gymnasium. Das wurde auf einem ehemaligen Friedhof gebaut.
Quedlinburg - Dass ihr Schulhaus vor fast 120 Jahren auf dem Gelände eines ehemaligen Friedhofs gebaut wurde, dürfte für die Schüler des GutsMuths-Gymnasiums wohl nie so präsent gewesen sein wie in dieser Woche: Bei Grabungen auf dem Schulgelände, die im Vorfeld geplanter Bauarbeiten erfolgen, hat das Archäologieteam des Landkreises Harz mehrere noch erhaltene Bestattungen freigelegt. „Wir hatten genau das erwartet“, erklärt Oliver Schlegel, Kreisarchäologe und Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Harz. Die interessanteste Grabungsstelle befindet sich dabei direkt auf dem Schulhof. „Hier hat sich ein tolles Fenster geöffnet, in dem wir Bestattungen aus dem Barock und der frühen Neuzeit gefunden haben.“
Das Areal vom Nikolaikirchhof bis hin zur Stadtmauer sei Gottesacker der Neustadt gewesen, bis dieser im 19. Jahrhundert aufgegeben und ziemlich schnell bebaut worden sei. „Hier war rund 600 Jahre Friedhof, da gab es viele Grablegen übereinander, hat eine Bestattung die andere gestört.“ An der Grabungsstelle auf dem Schulhof - dieser Bereich gehört zu jenen, wo beispielsweise für Regenwasserschächte tiefe Eingriffe in den Boden erfolgen sollen - entdeckte das Archäologieteam in einer Tiefe von etwa zwei Metern drei ungestörte Bestattungen. Offenbar die jüngsten auf dem Friedhof, ordnet Oliver Schlegel ein: Es seien Sargbestattungen mit erhalten gebliebenen Resten der Särge und Sarggriffen.
Klassische Beigaben wie bei frühen Bestattungen gebe es hier nicht, doch in einem der Gräber wurde ein komplett erhaltener Teller gefunden, sogenannte Malhörnchenkeramik aus der Zeit Anfang, Mitte des 19. Jahrhunderts.
In einer zur Hälfte freigelegten Bestattung habe es eine Überraschung gegeben, berichtet der Kreisarchäologe: Auf dem Brustbein der Toten – es handelt sich wahrscheinlich um eine Frau – lag eine Münze. In Kooperation mit der Schule wird nun versucht herauszufinden, um um welche Art Geldstück es sich handeln könnte. Die Münze aus Kupfer werde im Chemieunterricht gereinigt. Ersten Erkenntnissen zufolge könnte die Jahreszahl 1848 darauf stehen, es könnte aber auch 1808 sein. Sollte sich die Jahreszahl 1848 bestätigen, könnte das bedeuten, „dass der Friedhof länger in Benutzung war, als wir bisher dachten“, sagt Oliver Schlegel.
Ein weiterer interessanter Fund: Die Frau habe ein „ganz frühes Ersatzgebiss“ gehabt, „die vorderen vier Schneidezähne im Oberkiefer waren durch künstliche ersetzt.“ Wobei: Die Zähne waren künstlich eingesetzt. Denn es seien sogenannte Waterloo-Zähne. Gefallenen auf dem Schlachtfeld wurden gesunde Zähne entnommen, die dann an Handwerker verkauft wurden; diese fertigten daraus Zahnersatz, erläutert der Kreisarchäologe. Der jetzt gefundene ist mit einer Fassung aus Gold gebaut und dann gelötet worden; er wurde an den Nachbarzähnen festgeklemmt.
In dieser Grabungsstelle wurden zudem die Reste einer gemauerten Gruft entdeckt: ein ursprünglich nur etwa 1,50 Meter hoher, etwas zwei mal zwei Meter großer Hohlraum, der eine Verschlussplatte hatte und oberirdisch durch einen Grabstein kenntlich gemacht wurde. „Das ist ganz typisch für barocke Friedhöfe. Familien, die es sich leisten konnten, hatten solche Gruftanlagen“, erklärt Oliver Schlegel. Die Hoffnung der Archäologen, auch hier Bestattungen zu finden, erfüllte sich nicht.
„Die Kappe der Gruft ist offensichtlich beim Bau der Schule eingedrückt, die Gruft mit Bauschutt verfüllt worden“, erklärt Oliver Schlegel. Gefunden worden sei hier nur noch ein einzelner linker Schuh, Größe 42, dessen Sohle durchgelaufen war – wohl von einem der damaligen Bauarbeiter.
Insgesamt führten die Archäologen an vier Stellen auf dem Schulgelände Grabungen durch. Dazu gehörten zwei Flächen, an denen der Boden bis in eine Tiefe von 1,20 Metern untersucht wurde: eine auf dem Schulhof, auf der nichts gefunden wurde, eine zweite vor dem Schulhaus zur Straße Kaplanei hin. „Hier haben wir zwei männliche Skelette gefunden“, erklärt Oliver Schlegel. Beide seien nicht mehr ganz vollständig, aber teils noch in situ, also in originaler Lage, so, wie sie bestattet wurden. Auch die Särge seien – aufgrund einer anderen, feuchteren Bodenbeschaffenheit – nicht mehr erhalten.
In den anderen beiden durch die Kreisarchäologie untersuchten Bereichen sollen die Bauarbeiten bis in drei Meter Tiefe gehen. An einer dieser Stellen an der Straße zur Kaplanei hin fanden die Archäologen nichts. „Sie ist sehr nahe an der Gebäudekante und schon vor 120 Jahren gestört worden“, so der Kreisarchäologe. Die andere Stelle ist die auf dem Schulhof mit den erhalten gebliebenen Bestattungen und den Resten der Gruft.
Diese Bestattungen werden – nachdem alles mittels Lasertechnik eingemessen und erfasst ist – geborgen und nach Halle in das Archiv des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie umgelagert. Die zahlreichen während der Grabungen gefundenen einzelnen Knochen kommen wieder unter die Erde, in einem sogenannten Knochenlager.
Die Schüler des Gymnasiums konnten die Untersuchungen auf ihrem Schulgelände nicht nur verfolgen; sie wurden auch mit eingebunden. „Wir hatten kräftig Hilfe von zwei Schülergruppen“, sagt Oliver Schlegel. Und auch die Untersuchung der Münze sei zu einem Kurs gestaltet worden.