1.000 Jahre alte Fälschung? König Heinrich I. im Ostfrankenreich: Tausend Jahre alte Urkunde erreicht das Schlossmuseum Quedlinburg

Quedlinburg - Die Tinte auf dem Pergament ist im Lauf von tausend Jahren zwar verblasst, aber trotzdem ist gut zu erkennen, dass mit diesem königlichen Dokument etwas nicht so ganz stimmt.
Es sind die Details, die Forscher stutzig gemacht haben und bei denen auch Uta Siebrecht aufhorcht. Die Leiterin der städtischen Museen Quedlinburg präsentiert am Dienstagmorgen im Schlossmuseum Presse und Fotografen womöglich eine Fälschung - die allerdings so kostbar ist, dass sie in einer Spezialvitrine gezeigt werden muss.
Die kostbare Urkunde wird in einer klimatisierten Vitrine ausgestellt
Es geht um eine Urkunde, ausgestellt am 16. September des Jahres 929: „In der Forschung wird sie als die berühmte ‚Hausordnung‘ bezeichnet“, sagt Uta Siebrecht.
Mit dem Dokument regelt Heinrich I. seine Nachfolgepolitik und stattet seine Frau Mathilde mit umfangreichen Besitzungen zu ihrer Witwenversorgung aus. Doch inzwischen, so Siebrecht, gilt es als „sehr wahrscheinlich, dass es nicht das Original von 929 ist. Das ist wie ein kleiner Krimi, aufgerollt durch die aktuelle Forschung“.
Die Überraschung kam 2018 während der wissenschaftlichen Tagung zu Heinrich I. in Quedlinburg: Christian Warnecke hat nachgewiesen, dass diese Urkunde, mit der Otto I. als alleiniger Nachfolger Heinrichs präsentiert wird, nicht von 929, sondern aus späterer Zeit stammt und das Siegel einer echten Heinrich-Urkunde entnommen wurde.
Museumsleiterin weist auf die „sehr stümperhafte Ausschreibung“ der Urkunde hin
„Als wir sie für die Ausstellung angefragt haben, galt sie noch als das Original“, macht die Museumsleiterin die Bedeutung dieser Forschungsergebnisse deutlich.
Dennoch ist es eine Urkunde aus dem 10. Jahrhundert, die auf die Zeit um das Jahr 970 datiert wird. Aber ein Kanzleischreiber hätte das Schriftstück besser angefertigt, sagt die Museumsleiterin.
„Eine sehr stümperhafte Ausschreibung“ zeige sich da, auch seien zwei Schreiber beteiligt gewesen. Die für solche Dokumente typischen Überlängen an den Buchstaben wurden nachträglich hinzugefügt, falsch geschriebene Ortsnamen korrigiert. Und dann ist da die Sache mit dem Siegel.
Es fehlt der typische Abdruck des Siegels auf dem Pergament
Der Notar des Königs setzte unten auf der Urkunde ein Zeichen. Wie ein Logo, das in diesem Fall der erste Schreiber wohl nicht so richtig hinbekommen hat - weswegen versucht wurde, die Mängel durch die Platzierung des Siegels zu kaschieren. Außerdem fehlt der typische Abdruck, der beim Aufbringen eines Siegels auf das Pergament entsteht.
Das Dokument befand sich einst im Quedlinburger Stiftsarchiv, kam dann nach Berlin und schließlich ins Landesarchiv Magdeburg, das es dem Schlossmuseum zur Verfügung stellte.
„Für das Stift war es eine wichtige Rechtsurkunde“, sagt die Museumsleiterin. Unter anderem ist zu lesen, dass Heinrich I. es „für passend gehalten“ habe, „in geordneter Weise Vorsorge zu treffen“ und seiner „süßesten Mathilde“ Ortschaften und Ländereien zu übertragen.
Kunsthistorikerin: Urkunde regelt die Ordnung des Reiches nach dem Tod von Heinrich I:
„Im Kern geht es um die Ordnung des Reiches nach seinem Tod“, sagt die Kunsthistorikerin. Die Nachfolgeregelung sei entscheidend gewesen für die Bildung der Dynastie. Otto I. sei schon vor 929 als König erwähnt worden, ein Indiz dafür, dass Heinrich I. „diesen Sohn in einem ganz anderen Umfeld gesehen hat“.
Dass Urkunden nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen, ist für das Mittelalter nichts Ungewöhnliches, so Uta Siebrecht. Fälschungen seien damals gang und gäbe gewesen, und „nicht immer ist dahinter ein krimineller Gedanke zu sehen“, sagt sie. Beispielsweise dann, wenn verloren gegangene Originale ersetzt werden mussten. Allerdings bot sich so auch eine Gelegenheit, sich bestimmte Privilegien zu sichern.
Die Urkunde ist bis zum September in der Sonderausstellung des Schlossmuseums zu sehen. (mz)