Vor 900 Jahren! Klosterkirche St. Marien Münzenberg Quedlinburg: Archäologen finden Kinder-Graffito aus dem 11. Jahrhundert

Quedlinburg - Wer ganz genau hinschaut, kann sie entdecken: die Figur mit langem Kettenhemd, spitz-konischem Helm und Waffenrock, den Ansatz von Hinter- und Vorderzwiesel eines Kastensattels, das ovale große Schild.
Es ist die Zeichnung eines Ritters in mittelalterlicher Rüstung, eingeritzt in einen Pfeiler in der Krypta der zur Straße der Romanik gehörenden Klosterkirche St. Marien auf dem Quedlinburger Münzenberg. „Das ist etwas Besonderes. Das gibt es nicht so häufig“, sagt Oliver Schlegel, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Harz.
Bild zeigt einen Ritter aus dem 11. Jahrhundert
Genau genommen ist die Zeichnung einfach ein Graffito - aber ein mittelalterliches. Es zeigt „eine ganz typische Ritterfigur aus der Zeit des 11. Jahrhunderts“, sagt Oliver Schlegel. Er verweist auf den Teppich von Bayeux - einen gestickten, rund 50 Zentimeter breiten und rund 70 Meter langen Teppich, der in der Normandie gelagert und ausgestellt wird.
Angefertigt worden sei dieser, um die geglückte Eroberung Englands darzustellen - in Einzelszenen beginnend vom Übersetzen Wilhelms des Eroberers nach England und endend mit der großen Schlacht bei Hastings im Jahr 1066.
Wandbild befindet sich etwa auf Hüfthöhe
„Alle Bewaffneten, die auf diesem Teppich dargestellt sind, tragen haargenau das gleiche mandelförmige große Schild, haargenau die gleiche Rüstung mit dem langen Kettenhemd, das bis zu den Knien reicht, und den konischen Helm mit Nasal.“
Damit lasse sich die Ritzzeichnung aus der Klosterkirche St. Marien „wunderbar auf die Mitte des 11. Jahrhunderts datieren“, erklärt Oliver Schlegel.
Zu finden sei die Zeichnung auf Hüfthöhe, sagt der Denkmalpfleger und verweist darauf, dass sich der Fußboden der Krypta heute wieder auf seinem ursprünglichen Niveau befindet. Von der Höhe des Graffito und der Zeichnungsführung ausgehend, handele es sich bei der Ritterdarstellung um die Zeichnung eines acht- bis zwölfjährigen Kindes - „eher zwölf als acht“, schätzt Oliver Schlegel ein.
Münzenberg war Kloster und wehrhafte Anlage
Der Münzenberg „war immer ein befestigter Ort. Er war nicht nur Kloster, sondern auch eine wehrhafte Anlage“, erklärt der Denkmalpfleger. So hätten sich hier auch Ritter aufgehalten. Das Kind habe vermutlich solche Leute gesehen - „und dann - als die Nonnen kurz nicht aufgepasst hatten - die Zeichnung innerhalb von drei Minuten ungelenk mit eine scharfen Gegenstand in den Putz gekritzelt“, beschreibt der Denkmalpfleger.
Heute sei diese Zeichnung „ein Schlaglicht in einen Alltag, der fast 1 000 Jahre alt ist“. Aus jener Zeit seien nur noch wenige Putzsedimente erhalten - und aus purem Zufall gehöre dazu dieses Stück.
Entdeckt wurde die Zeichnung übrigens während der Sanierungsarbeiten vor etwa zwei Jahren durch die Restauratoren. Es war auch nicht die einzige: Gefunden wurden zum Beispiel Darstellungen fünfzackiger Sterne und eines Fisches. (mz)
