"Kleine weiße Friedenstaube" "Kleine weiße Friedenstaube" von Erika Schirmer: Komponistin stellt Kunstschnitte in Gernrode aus

Gernrode - „Jeden Samstag warten die Leser auf mein neues Gedicht“, erzählt Erika Schirmer. Noch immer liefert die im Südharz lebende Seniorin bei einer Zeitung in Thüringen jede Woche ihre Verse für die Rubrik „Harzer Fingerhut“ zur Veröffentlichung ab.
Die rüstige Seniorin, die einfach keine Ruhe finden will, hat am Donnerstag den Besuch in „ihrer Ausstellung“ in der Alten Elementarschule Gernrode mit Gedichten, Sprüchen und filigranen Scherenschnitten nachgeholt, den sie Mitte Mai zur Vernissage noch aus gesundheitlichen Gründen absagen musste.
Die Vitalität der 92-Jährigen ist beeindruckend
Dabei beeindruckte sie die Besucher mit einer Vitalität, die von einer 92-Jährigen nicht unbedingt zu erwarten ist. „Die Zahl tausend reicht bestimmt nicht“, sagt Erika Schirmer über die bisher geschriebenen Gedichte und Lieder in ihrem Leben. „Ich habe sie weder gezählt noch genau erfasst.“
Schon zu Beginn ihrer künstlerischen Karriere lieferte die 1926 in Schlesien geborene Mutter einer Tochter nach dem ersten veröffentlichten Kinderlied „Der Winter ist gekommen...“ noch im selben Jahr, 1949, mit „Kleine weiße Friedenstaube“ das wohl berühmteste je von ihr komponierte und getextete Lied.
Es wurde vor allem in den Kindergärten und Schulen gesungen - den Orten, zu denen sie selbst die engste Verbindung hatte.
Alle Schüler kannten in der DDR das Lied „Kleine weiße Friedenstaube“
Aus der Heimat vertrieben, lebte Erika Schirmer in der DDR zunächst im Eichsfeld, um dann nach dem Abschluss der Ausbildung als Kindergärtnerin auf Rügen und schließlich ab 1948 in Nordhausen zu arbeiten. Später studierte sie und unterrichtete ab 1956 als Lehrerin für Deutsch und Kunst in Nordhausen.
Ab 1972 engagierte sich Erika Schirmer bis zur Rente als Pädagogin für geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche in einer Sonderschuleinrichtung.
Das Plakat von Pablo Picasso regte sie zu ihrer Komposition an
Angeregt vom Symbol der weißen Friedenstaube auf blauem Grund, welche Pablo Picasso als Plakat für die Pariser Weltfriedenskonferenz entworfen hatte, und den eigenen Erlebnissen mit Krieg und Vertreibung drückte sie in diesem Lied mit einfachen Worten in vier Strophen ihren Wunsch nach Frieden aus.
Dieses Zeitgefühl stieß auf fruchtbaren Boden, so dass ihr Werk, man kann sogar von einem DDR-Volkslied sprechen, weit über die Grenzen bekannt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. „Noch immer freue ich mich über Post aus vielen Ländern“, sagt Erika Schirmer. Seit 2016 trägt sie das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Ein Raum widmet sich Märchenrätseln für Kinder
Auch Märchen haben es ihr angetan, wie in Gernrode ein Extra-Raum mit Märchenrätseln zeigt. Für die Kinder hat sie einen großen Märchenbaum mitgebracht, „da sind ganz viele darauf zu finden“, betont sie. Obwohl sie nie Musik studiert hat, komponiert sie auch - mit offenem Ende. Gerade hat sie einen Jodelruf getextet. „Er wartet nun darauf, von Könnern gesungen zu werden“, erklärt sie und bekennt freimütig: „Jodeln kann ich nicht.“
(mz)
