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Wiedersehen im Harz Klasse kommt 70 Jahre nach der Einschulung wieder zusammen

Das Herrenhaus im Landschaftspark Degenershausen war einmal eine Schule. Die ersten Schüler wurden 1954 eingeschult. Jetzt haben sie sich an einem besonderen Baum wiedergetroffen.

Von Rita Kunze 30.06.2024, 10:00
Klassentreffen 70 Jahre nach der Einschulung: Im Landschaftspark Degenershausen gab es ab 1953 eine Schule, eingerichtet im einstigen Herrenhaus.
Klassentreffen 70 Jahre nach der Einschulung: Im Landschaftspark Degenershausen gab es ab 1953 eine Schule, eingerichtet im einstigen Herrenhaus. Foto: Kunze

Wieserode/MZ. - Lachend klopfen sich die Männer auf die Schultern, die Frauen gehen mit ausgestreckten Armen aufeinander zu: Klassentreffen am Freitag im Landschaftspark Degenershausen. Vor 70 Jahren wurden sie hier eingeschult, als erste Klasse der Zentralschule, die im ehemaligen Herrenhaus eingerichtet worden war und die später zur Polytechnischen Oberschule (POS) mit zehn Klassen wurde.

Lange Zeit hat es kein Klassentreffen gegeben

Die Freude über das Wiedersehen ist groß. Viele haben noch Konktakt zueinander, wohnen sie doch in den umliegenden Dörfern, treffen sich ab und an. Als ganze Klasse sind sie zuletzt vor zwei Jahren zusammengekommen, davor lange Zeit nicht.

„Wir haben unsere Gesichter zeitlos eingescannt und so erwarten wir sie wieder. Und jedes Mal, wenn wir uns treffen, sind wir überrascht, dass die Zeit doch nicht an uns vorbei gegangen ist“, stellt Eva Hübner fest. Von den damaligen Lehrern lebe nur noch einer, auch einige Mitschüler seien verstorben.

Auch ihre Schule gibt es nicht mehr. Das baufällige Gebäude wurde abgerissen. Wo es gestanden hatte, blühen seit vielen Jahren bunte Blumen. Die Lücke stört aber nicht; für die ehemaligen Schüler ist die Schule immer noch da. Sie erinnern sich an den Geruch von Bohnerwachs, das Knarren der Dielen und an den Sportunterricht, als sie beim Rundenlauf durch den Park schummeln konnten, an das Bestäuben von Kakteen im Gewächshaus - der Direktor war ein Sukkulenten-Fan - und an den Zeichenunterricht am Teich: „Wir waren hier frei.“

Jedes Mal, wenn wir uns treffen, sind wir überrascht.

Eva Hübner, ehemalige Schülerin

1953 wurde das Herrenhaus zur Schule umfunktioniert, 1954 die erste Klasse - ihre Klasse - eingeschult. Die Schüler kamen aus Endorf, Neuplatendorf, Pansfelde und Wieserode. In der fünften Klasse kamen Kinder aus Welbsleben dazu, weil die dortige Schule zu klein geworden war, später auch Schüler aus Abberode und Molmerswende. Auch „die Welbsleber“ sind am Freitag zum Klassentreffen gekommen.

Der Treffpunkt war klar: an der Kanadischen Hemlocktanne. Sie ist der größte Baum in der Gruppe, hoch und gerade gewachsen. Ihre Zweige verdecken inzwischen eine Messingtafel: „gespendet 2008 von der Schulklasse des Jahrgangs 1954 bis 1964“. Der Baum wurde gepflanzt, „damit jeder von uns einen Anlauf- und Erinnerungspunkt an die Schule hat“, erklärt Eva Hübner. „Und jeder spricht von ‚unserem Baum‘.“

„Mal hören, was aus den anderen geworden ist“

Nach dem Schulabschluss sind viele in der Region zwischen Mansfelder Land und Aschersleben geblieben - als Kinderkrankenschwester, Erzieherin, Maler, Tischler, Elektriker und Klempner, Verkäufer, Frisörin. „Alle sind auch in dieser Schiene geblieben“, sagt Eva Hübner. „Es war ja so programmiert in unserer Zeit. Es war ja nicht daran zu denken, dass wir uns mal frei entfalten können. Und als die Entfaltung kam, da waren wir schon ein bisschen alt“, stellt sie mit Blick auf die Wendezeit fest.

Es ist die Gemeinschaft, das Wiedersehen, die sie beim Klassentreffen suchen. „Mal hören, was aus den anderen geworden ist, wie es ihnen geht“, heißt es in der Gruppe. „Man ist ja viele Jahre zusammen gewesen. Vor allem, wenn man aus einem Dorf kommt. Jetzt sind wir ja alle Rentner - wie beschäftigen wir uns jetzt? Das ist für manchen gar nicht so einfach.“