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Kinnhaken für tranige Ritter

Von STEPHAN NEEF 26.07.2009, 16:00

THALE/MZ. - Sozusagen auf der Zugbrücke. Und hat nebenbei noch ein Stelldichein mit Burg-Minna Corinna Jankowsky.

Eine Szene, die sich wahrscheinlich regelmäßig wiederholte. Denn wer am vergangenen Freitag das historische Areal im Herzen der Thalenser Altstadt betrat, fand sich im frühen Mittelalter wieder. Röber und seine Kollegin gehörten zum Inventar der "Ritterspiele", die das Sozialzentrum Bode im Rahmen der Ferienpass-Aktion organisiert hatte. Der rauchende Rittersmann war für alle Lager- und Grillfeuer verantwortlich und trug vermutlich auch deshalb eine feuerrote Marienkäfer-Kappe. Corinna Jankowsky verwaltete als Kalt- und Warmmamsell die Burgküche und unterrichtete Knappen und Mägdelein in der Fertigung von Quark und Salaten, Nudelsuppe und Papageienkuchen. Auch das Brot für die zeitweise 50-köpfige Burgbesatzung wurde natürlich selbst gebacken.

Die Räume in der "Jugendscheune", in denen die schon etwas älteren Rittersleut' lebten und schliefen, schienen aus allen Nähten zu platzen. Das Jungvolk musste deshalb im bunten Feldlager übernachten, was jedoch als besonders spannend empfunden wurde. Die zwölfjährige Sophie lag schon um 18 Uhr in ihrer Planwagen-Koje. Doch es war nicht Müdigkeit, die den Rückzug veranlasste hatte, sondern Trübsal. "Ich bin traurig", gestand das kleine Burgfräulein. Das seelische Tief habe jedoch nichts mit garstigen oder untreuen Knappen zu tun, verriet Sophie auf eine entsprechende Frage.

Die Ritter, wie sollte es anders sein, kämpften derweil. Da gab es einen mit (selbst gebauten) Lanzen bestückten Parcours, auf dem mit Pfeil und Bogen geschossen wurde. Nebenan bedienten Lukas Kassebaum (12) und Mitstreiter mannsgroße Katapult-Schleudern, die stramme Arm- und Beinmuskeln erforderten, aber eine beeindruckende Reichweite und Schlagkraft hatten.

Dustin Hüftner (6) und Michelle Degen (7) übten sich als Piraten und ließen ihre Segelboote und -flöße erst in Gewitterpfützen und schließlich im nahen Mühlgraben zu Wasser. Die Werft befand sich auf dem "Handwerkerhof", der wetterbedingt in die Scheune umziehen musste.

Neben Bootsbau-Mentorin Astrid Guntowski stand "Waffenschmied" Peter Traubach an der Werkbank, der bei der Ausrüstung der kämpfenden Truppe half. Katharina Koch (12) "versilberte" ihr Holzschwert sogar und versah es mit einer "blutbeschmierten" Spitze. Chef-Töpferin Kunigunde (Kornelia Ferchland) unterwies die edlen Jungfern in der Herstellung von Kelchen, Milchkännchen oder Schalen. Dass sich Töpferscheibe und Ton so manches Mal dem Willen der Keramikerin widersetzen, musste auch Antonia Bornemann (13) erfahren.

Geradezu schmerzhaft kann das "Knüppel-auf-den-Sack-Spiel" sein. In der Wendhusen-Burg drohten etlichen Knappen gar peinvolle Kinnhaken. Zumindest dann, wenn sie unvorsichtig auf die an drehenden Galgen hängenden "Sand"-Säcke einschlugen, die dann ihrerseits zurückschlugen, dem Ritter sozusagen "einen vor den Latz knallten".

Die Oberaufsicht über das mittelalterliche Treiben hatte Helga Wenke, die Leiterin des Wendhusen-Jugendklubs, der dem Sozialzentrum Bode untersteht. Die Rittershow bescherte ihr eine fast pausenlose 30-Stunden-Schicht. Doch Spaß machte es ihr trotzdem.

Als jedoch die Thalenser Feuerwehr mit großem Bahnhof, Blaulicht und Martinshorn zu einer Übung auf dem benachbarten Bauhof anrückte, war die Burg schlagartig entvölkert. Vorübergehend hatte das 21. Jahrhundert dem Mittelalter die Show gestohlen.

Am kommenden Sonnabend, 1. August 2009, veranstaltet das Sozialzentrum sein 2. großes Seifenkisten-Rennen, an dem alle Hobby-Konstrukteure teilnehmen können (mit Helm, Knie- und Ellbogenschützer). Rennstrecke: 60 Meter, Beginn: 14 Uhr, Treffpunkt ist die Hubertusstraße am Eingang zum Bodetal. Nähere Informationen gibt es unter 039 47 / 77 99 04.