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Kein Mauerblümchen-Dasein

Von UWE KRAUS 30.04.2010, 14:25

QUEDLINBURG/HALBERSTADT/MZ. - Sie ist diejenige Akteurin, die nun wohl am längsten mit dieser deutschlandweit einmaligen Förderveranstaltung verbunden ist. "Die größten Puzzle-Teile, die sich fügten, waren bisher Nordharzer Städtebundtheater, die Stadt Halberstadt und der Landesmusikrat Sachsen-Anhalt."

Faible für Nachwuchsmusik

Johannes Rieger, seit seinem Start 2000 als Musikalischer Oberleiter, seit 2005 Musikdirektor und seit 2009 Intendant des Nordharzer Städtebundtheaters, gilt als ein Mann, der nicht nur seit 1996 ständiger Dirigent des Ensembles für Neue Musik European Music Project ist, sondern auch ein Faible für die Nachwuchsmusik hat. Seit er mit im Boot ist, hat er erlebt, welch Schicksal die jungen Tonsetzer teilen. Sie seien hoch motiviert und voller Begeisterung sich mit Gleichgesinnten zu treffen.

Doch er freut sich, dass die Orchesterwerkstatt kein Mauerblümchen-Dasein mehr frönt wie vor zehn Jahren. Damals saßen neben den Beteiligten höchstens einige Familienangehörige und Freunde im Großen Haus seines Theaters, als die Komponisten den großen Moment der Uraufführung ihrer Werke miterlebten. Heute gelten beim Abschlusskonzert Hörerzahlen jenseits der 350 als normal. Längst sind Besuche der Jung-Komponisten bei Altersgefährten in den Halberstädter Gymnasien die Normalität.

Ulrike Dietrich und Johannes Rieger freut es, dass nun auch die Deutsche Orchesterstiftung für mindestens zwei Jahre zu den Weggefährten der Werkstatt gehört und für die kommenden zwei Jahre jeweils einen Preis von 1 000 Euro ausgeschrieben habe. Dass auch der 500-Euro-Scheck des städtischen Andreas-Werckmeister-Preises gedeckt ist, dafür bedankt sich der Stellvertreter des Halberstädter Oberbürgermeisters Dr. Michael Haase ausdrücklich bei der Vereinigten Volksbank, die die Verleihung bis 2011 sichert. "Wir haben einen guten Teil unseres Weges geschafft", stapelt Ulrike Dietrich fast etwas tief. Und fügt an, dass man noch eine weite Wegstrecke vor sich habe.

Einige "Wiederholungstäter"

Bereits im Frühsommer 2009 habe man die Ausschreibung für die Halberstädter Werkstatt und den damit verbundenen Wettbewerb an die Komponistenklasse in Österreich und Deutschland versandt. So werden junge Leute, vom "Kaum-Teenie" bis zu einem Alter von Mitte 20 Anfang Mai in die Domstadt reisen. Der in Kopenhagen geborene Schüler der Latina Halle / Saale Carl-Frederik Zeh ist mit gerade mal zwölf Jahren bereits zum zweiten Male jüngster Teilnehmer. "Ungefähr ein Drittel der Teilnehmer gilt als Wiederholungstäter", merkt Johannes Rieger schmunzelnd an. So reist Maximilian Guth aus Minden wie Zeh und David Osten von Sächsischen Elite-Gymnasium "St. Afra" in Meißen erneut nach Halberstadt. Guth gewann im vergangenen Jahr beim 1. Halberstädter Kompositionswettbewerb eine Aufführung seines Stückes "In Between" beim Festival für Neue Musik "Impuls" in Halle.

Auch in diesem Jahr wirkt neben den beiden erfahrenen Tutoren Prof. Martin Redel aus Detmold und Prof. Violeta Dinescu der Intendant des "Impuls"-Festivals Hans Rotman als Juror mit. Erneut werde ein im Halberstädter Theater uraufgeführtes Stück auch bei seinem Treffen der Neuen Musik erklingen. "Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, junge komponierende Menschen zu fördern", gesteht MD Johannes Rieger.

So erwarte den Sieger des 1000-Euro-Preises der Deutschen Orchesterstiftung ein "Anschlussauftrag". Was das sein wird und wann es öffentlich zu hören sein wird, hänge vom Verlauf der Werkstatt ab. Wie aus Theaterkreisen zu vernehmen ist, könnte diese Komposition als Teil der Abschluss-Veranstaltung der Internationalen Bauausstellung 2010 in Sachsen-Anhalt erklingen. Werke aus den vergangenen Jahren fanden nicht nur ihren Weg auf eine 2009 erschienen CD mit den interessantesten Klängen aus den Halberstädter Werkstattjahren, sondern auch in den musikalischen Alltag. So nutzte Ballettdirektor Jaroslaw Jurasz Preisträger-Musik bereits für Ballett-Inszenierungen. Bevor jedoch am 7. Mai acht der eingereichten fünf bis acht Minuten langen Stücke mit dem Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters Halberstadt uraufgeführt werden, steht noch harte Arbeit für den Nachwuchskomponisten. "Es werden ja keine komplett fertigen Partituren für Orchester eingereicht. Da könnten wir uns ja die Tutoren sparen", meint Johannes Rieger.

Technisierung als Gefahr

Er sieht mit der fortschreitenden Technisierung durchaus eine Gefahr. "Die jungen Leute setzen sich oft an den Computer mit dem Notenprogramm. Doch der gibt nicht wie ein Rechtschreibprogramm Alarm, wenn was nicht spielbar ist. Darum hat es einen guten Grund, dass die Partituren in Handarbeit entstehen." Dass an dieser Hürde manche Bewerber schon scheiterten, merken die Organisatoren bei Anfragenden, von denen sie danach nichts mehr hören.

Dass die seit der Wende in Halberstadt beheimatete Orchesterwerkstatt junger Komponisten 1987 in Stendal von engagierten Musikschaffenden aus der Taufe gehoben wurde, daran soll beim Abschlusskonzert am 7. Mai besonders erinnert werden. Dem Initiator des Startjahres, langjährigen Tutor und Leiter der Kinderkomponistenklasse Halle-Dresden, Hans Jürgen Wenzel, der 2000 starb, soll mit der Aufführung eines seiner Werke posthum gedacht werden.