Interview mit Michael Freitag Interview mit Michael Freitag: Eigene Sammlung für die Feininger-Galerie

Quedlinburg/dpa - In der Lyonel-Feininger-Galerie in der Unesco-Welterbestadt Quedlinburg soll nach dem Willen des neuen Direktors Michael Freitag eine eigene Sammlung aufgebaut werden. Sie solle den Kernbestand an Werken des Namensgebers Lyonel Feininger (1871-1956) erweitern und das Haus auf mehrere Standbeine stellen, sagte Freitag in einem Interview. Der 59-Jährige übernimmt am 1. Januar 2014 die Leitung des Museums.
Sie haben zahlreiche Publikationen zur Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts veröffentlicht. Wie nah ist Ihnen Lyonel Feininger?
Michael Freitag (59) ist Kunsthistoriker, Publizist und Kritiker. Er studierte Kunstgeschichte in Berlin und arbeitete danach unter anderem als freier Kurator.
2010 wurde er Leiter der Sammlungen Moritzburg und im Januar 2013 Direktor des Kunstmuseums. Freitag ist Mitglied im Künstlerischen Beirat der Kunststiftung Sachsen-Anhalt.
Freitag: Feininger ist mir als Bauhaus-Künstler sehr nah. Mich interessiert vor allem die Vielgestaltigkeit seines Lebenswerks. Er war Grafiker, Karikaturist, Maler und Zeichner, aber auch Fotograf. Innerhalb dieser Genres hat er Eigenes geleistet. Seine Verbundenheit mit der Region ist ein weiterer Reiz. Seine biografischen Stationen Dessau und Halle sollen mit Quedlinburg zu einem geistigen Dreieck verbunden werden.
Mit welchen konkreten Ideen und Vorhaben gehen Sie in ihr erstes Jahr? Haben Sie große Veränderungen auf dem Arbeitszettel?
Freitag: Ich habe drei Dinge: Ganz oben steht das Vorhaben, für das Museum eine eigene Sammlung aufzubauen. Feiningers Werk bleibt Kernbestand und Impulsgeber, aber ich will den Horizont erweitern und den Geist der Klassischen Moderne in einer lebendigen Gegenwart reflektieren. Mir schwebt ein scharf konturiertes Museum für Grafik vor. Es baut auf den Medien auf, in denen sich auch Feininger bewegt hat, also Druckgrafik, Fotografie und Zeichnung. Außerdem möchte ich das Museum stärker mit anderen Institutionen der Region verzahnen, etwa mit dem Klopstockhaus Quedlinburg, dem Gleimhaus Halberstadt und der Musikakademie Kloster Michaelstein. Mir geht es darum, den Bogen von der Aufklärung über die Moderne bis zur zeitgenössischen Kunst zu spannen. Der dritte Punkt auf der Liste ist der Aufbau eines museumspädagogischen Bildungsprogramms, das jetzt auch Dank des Erweiterungsbaus „Schlossberg 11“ realisiert werden kann.
Auf welche Höhepunkte können sich Besucher in 2014 freuen?
Freitag: Es wird drei Ausstellungen geben, auf die es sich zu freuen lohnt. Von Mitte Januar bis Mitte Februar gibt es die Schau „Das Mythengebirge I“ zu sehen. Es werden etwa 60 Harz-Ansichten aus drei Jahrhunderten gezeigt. Sie stammen aus dem Bestand der Stiftung Moritzburg in Halle. Vom 6. März an gibt es die Ausstellung „Wols. Das große Mysterium“, eine Übernahme vom Museum Wiesbaden. Sie ist Wolfgang Schulze (1913-1951) gewidmet, der zu den wichtigsten Impulsgebern der Nachkriegsmoderne zählt und wie Feininger Maler, Fotograf und Zeichner war. Mitte Juni zeigt das Museum dann unter dem Titel „Noch ein Leben“ Fotografien von Ludwig Rauch. Die Ausstellung übernehmen wir vom Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus. Man sieht, die Themen zeigen in eine Richtung. Wohin es geht, wird sich 2015 und 2016 deutlicher zeigen.
Sie verlegen Ihren Arbeits- und Lebensmittelpunkt in die Unesco-Welterbestadt Quedlinburg. Freuen sie sich darauf?
Freitag: Sehr sogar. Ich werde Mitte Februar nach Quedlinburg umziehen. Man kann nur dort vernünftig arbeiten, wo man lebt. Und umgekehrt. Das gilt. Ich freue mich auf die Stadt und das Netzwerk an Menschen und Institutionen, auf das ich bauen will.