Harzer Likör Manufaktur Gernrode Harzer Likör Manufaktur Gernrode: "Fabrik" im Namen hat ausgedient

Gernrode - Manchmal hilft der Zufall. Während viele ältere Firmeninhaber Probleme haben, einen geeigneten Nachfolger zu finden, gelang der Übergang bei der Harzer Likörfabrik in Gernrode nahezu fließend. „Die Inhaberin Helga Rolle hat mich einfach gefragt, ob ich es übernehmen will“, blickt Nicole Tondera zurück. Seit Jahresbeginn ist sie die neue Chefin. Die früheren Mitarbeiter sind bei Nicole Tondera geblieben.
Auf was sie sich einlässt, wusste die studierte Steuerfachwirtin zumindest von den Zahlen her schon vorab. Sechs Jahre lang begleitete sie das Unternehmen bereits, als sie mit der Nachfolge konfrontiert wurde. „Von der Produktion und Abfüllung hatte ich absolut keine Ahnung“, gibt sie zu.
Die Entscheidung machte sie zudem von ihrem Lebenspartner abhängig. „Nur die damalige Chefin war eingeweiht, als sich Karsten Eckmayr ohne Wissen der Mitarbeiter als Praktikant getarnt ins Unternehmen einschleuste.“ Als es auch ihm gefiel, sagte sie zu.
Längst beherrscht die neue Chefin ihre Firma, auch wenn sie sich noch selbst „in Ausbildung“ sieht. „Frau Rolle hat mich in alle Bereiche eingearbeitet – von der Rezepturentwicklung über die Herstellung bis hin zur Durchführung von Verkostungen“, erzählt sie. Nebenbei absolviert sie einen Aufbaukurs zur Destillateurin.
Die aus dem Nordwesten des Harzkreises stammende Inhaberin will zunächst „die bestehende Palette an Kräuter- und Fruchtsaftlikören, Bränden und Destillaten verfeinern“, ehe sie sich neuen Produkten zuwendet. „Zwei Ideen habe ich bereits im Kopf“, sagt sie, ohne mehr verraten zu wollen.
Modernes Flaschendesign und Etiketten
Vielleicht werden es solche Renner wie der Rhabarberlikör. „Den hatte die Vorbesitzerin erst vor wenigen Jahren eingeführt, längst gehört er zu den Bestsellern“, weiß die Chefin. Drei andere, „Ritter Bodo“, „Hexenbitter“ und „Walpurga“, wurden schon 2013 mit der Produktmarke „Typisch Harz“ ausgezeichnet. „Die Ausgangsstoffe stammen aus der Region“, weiß Tondera. „Die Qualität der Produkte blieb“, stellte die Expertenkommission bei der erneuten Überprüfung drei Jahre später fest - und vergab erneut das Prädikat „Typisch Harz“.
Die 42-Jährige investiert parallel „Stück für Stück“, wie sie betont, in den Umbau des Ladens und setzt auf den Ausbau an Verkostungen. „Gemütlich am Kamin sitzen und probieren - das wird Besuchern gefallen“, glaubt sie.
Obwohl sie früher eher selten Alkohol genoss, „will ich jetzt alles selbst probieren“. Dabei gewann sie eine erstaunliche Erkenntnis: „Was mir am besten schmeckt, wird auch am meisten verkauft.“ Dabei stellte sie sogar „saisonale Schwankungen des Geschmacks“ fest. Über ihren Partner, der aus Schleswig-Holstein stammt, staunen die Bekannten noch mehr: „Früher hat er keinen Tropfen angerührt - und dann das hier.“
Um den Wiedererkennungswert zu erhöhen, entschieden sie sich zudem für ein moderneres Flaschendesign und andere Etiketten. Tondera: „Dann unterscheiden sich Liköre oder Kräuter deutlicher voneinander in eigenen Linien.“
Eine der markantesten Änderungen aber ist der neue Name: „Harzer Likör Manufaktur“. „Da vieles in Handarbeit erledigt wird und es um kleinere Mengen geht, passt er viel besser als ,Fabrik‘ zu uns“, macht die Inhaberin deutlich.
Die Destille im Gernröder Gewerbegebiet geht auf private Brennereien vor Jahrhunderten zurück. 1953 wurde durch den Zusammenschluss kleinerer Brennereien die Harzer Likörfabrik als volkseigener Betrieb (VEB) gegründet, in der auch die ehemalige Firmen-„Mutter“ Helga Rolle seit 1980 arbeitete. (mz)
Nach Turbulenzen kaufte sie mit ihrer Familie 1993 die Reste der Harzer Likörfabrik inklusive der Rezepturen und baute sie in der Lagerhalle im Gernröder Gewerbegebiet wieder auf.
Ein Teil der Spirituosen wurde schon früher in Gernrode abgefüllt, weil die Kapazitäten in Quedlinburg nicht ausreichten. „Harzer Juwel“, die Marke für süffige Obstweine, gibt es noch heute.
Ein Besucher habe berichtet, dass für den Weinbrand „Kastell“ immer in der Nacht die Ladung eines Lkw aus Frankreich entleert wurde, erzählt Eckmayr. So recht glauben will es der 44-Jährige aber nicht, zumal er keine weiteren Anhaltspunkte dafür fand.
Lieber bereitet er ein kleines Museum vor. Eines der Objekte, eine Destillierblase von 1940, empfängt die Besucher bereits am Eingang. „Doch den finden leider zu wenige.“ Deshalb haben die neuen Besitzer einen Wunsch: „Ein ordentlicher Wegweiser an der Zufahrt würde uns vieles erleichtern.“
Die Harzer Likör Manufaktur, Wellbachweg 26a in Gernrode, ist von Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr geöffnet. (mz)