Harz Harz: Paracelsus-Harz-Klinik in Not
BAD SUDERODE/MZ. - In der Bad Suderöder Paracelsus-Harz-Klinik geht es seit einem Jahr ruhiger zu als früher. Was auf der einen Seite für manche Patienten ein Vorteil ist, treibt Ilona Heinze, Verwaltungsdirektorin der Klinik, Jürgen Schwamborn, leitender Chefarzt der Klinik, und Frank Alemany, Geschäftsführer der Paracelsus-Kliniken Deutschland, die Sorgenfalten ins Gesicht. "Unserer Belegung beträgt insgesamt nur noch 78 bis 79 Prozent, in der Onkologie, unserer größten Bettenabteilung sind nur noch 69 Prozent belegt", berichtet Ilona Heinze.
Bis vor einem Jahr stand kaum ein Zimmer länger als einen Tag leer, doch seit August 2010 hat sich das geändert. Eine komplette Station musste geschlossen werden. Es ist die kleinste, doch wenn wenn die Durststrecke noch länger anhält, könnte auch die Schließung einer größeren Station kommen.
Drohen Entlassungen? Alemany beschwichtigt noch: "Wir versuchen, alle Arbeitsplätze zu halten. Aber wir müssen sehen, wie sich das im nächsten Jahr entwickelt..."
Die Paracelsus-Harz-Klinik, eine von 13 Reha-Kliniken des Konzerns, hat 260 Betten und ist mit 140 Arbeitsplätzen größter Arbeitgeber des Ortes. Schwierigkeiten haben im Grunde alle deutschen Reha-Kliniken, weil die größten Belegungsträger - die Rentenversicherungen - ein strengeres Bewilligungsverfahren haben, weiß Alemany. "Sie bewilligen generell weniger Heilverfahren als früher, das heißt rückläufige Zuweisungen."
Doch die Reha-Kliniken bekämen dies nicht alle gleich stark zu spüren. Die privat geführten Kliniken stärker als die eigenen Häuser der Rentenversicherungen, sagt Alemany. In Sachsen-Anhalt, so hätten Gespräche mit anderen Kliniken ergeben, sei der Belegungsrückgang jedoch wesentlich gravierender als in anderen Bundesländern. "Die Rentenversicherung Mitteldeutschland weist nur in eigene Häuser und Häuser, in denen sie die Federführerschaft hat, ein. Dort wo die Rentenversicherung Bund die Federführerschaft hat, wie hier, dort weisen sie nur noch in einem wesentlich geringeren Umfang ein. Das führt dazu, dass wir hier in einer Klinik, wo wir seit 20 Jahren immer eine Vollbelegung haben, plötzlich eine Belegung über die Rentenversicherung haben, die um 30 bis 40 Prozent niedriger ist", berichtet der Geschäftsführer der Paracelsus-Kliniken.
30 Prozent in andere Länder?
Alemany ärgert vor allem die ungleiche Verteilung durch die 2005 per Fusion der Rentenversicherungen Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt entstandene RV Mitteldeutschland, die in ihren Sitz in Leipzig hat. 30 Prozent der Patienten aus Sachsen-Anhalt würden zur Reha in andere Bundesländer gesteuert, hat Ilona Heinze erfahren. "Das gefährdet mittelfristig Arbeitsplätze in einer relativ strukturschwachen Region!"
Es ist eine Entwicklung, die auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Heike Brehmer, Stellvertreterin im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, nicht kalt lässt. "Wir werden das in unserer Landesgruppe besprechen", erklärt sie und verweist auf einen Passus im Koalitionsvertrag. Demnach sollte die Fusion zur Rentenversicherung Mitteldeutschland auch das Ziel haben, in Sachsen-Anhalts Rehakliniken Arbeitsplätze zu erhalten. "Es kann nicht sein, dass die Patienten nach Sachsen, Baden-Württemberg und anderswo überwiesen werden", findet Brehmer, in deren Wahlbezirk die Klinik liegt. Auch an die Rentenversicherung Mitteldeutschland will sie einen Brief schreiben.
Liegt es am Wunsch- und Wahlrecht, dass weniger Patienten nach Bad Suderode wollen? Schwamborn schüttelt den Kopf: "Dann muss innerhalb eines Monats ein bedeutender Stimmungswandel eingetreten sein." Oder daran, dass weniger Menschen an Krebs erkranken? "Nein, die Krebserkrankungen nehmen zu", betont der leitende Chefarzt. Neben der Verteilung sei es auch eine Frage der Genehmigung. Während früher bei einer gleichen Krebserkrankung Berufstätige wie Rentner im Durchschnitt 26 Tage zur Reha kamen, werden Rentnern seit Mitte 2010 nur noch 21 Tage genehmigt. "Das ist eine Ungleichbehandlung."
Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland weist den Vorwurf, dass Patienten zur stationären Rehabilitation außer Landes geschickt werden, von sich. Birgit Schmidtke vom Bereich Reha-Koordination in Leipzig betont, dass "Versicherte aus Sachsen-Anhalt wohnortnah und damit grundsätzlich in Rehabilitationseinrichtungen in Sachsen-Anhalt rehabilitiert" werden und der Fusionsvertrag von 2005 erfüllt werde.
Bundesrechnungshof kritisiert
Also werden keine Patienten außer Landes geschickt? Zumindest die frühere LVA Sachsen hatte vor der Fusion noch Rehakliniken, unter anderem auf Norderney, für die Dauer von bis zu 20 Jahre Belegungszusagen gegeben, kritisierte der Bundesrechnungshof in seinem Bericht vom 15. November 2010. Auch sei die DRV Mitteldeutschland an zwei Gesellschaften beteiligt, die Rehakliniken verpachten und zahlt diesen höhere Tagessätze als anderen Kliniken wird, kritisiert der Bundesrechnungshof dies als riskant und unzulässig.
Doch dies habe "keinerlei Auswirkungen auf die Inanspruchnahme von Rehakliniken in Sachsen-Anhalt", versicherte Pressesprecherin Ursula Wächter. Sie verwies vielmehr auf den Vorrang einer ambulanten Rehabilitationsleistung gegenüber einer stationären und deren Vorteile durch die Einbeziehung des familiären und beruflichen Umfeldes sowie die geringeren Kosten. "Auch die Deutsche Rentenversicherung Bund prognostiziert eine weitere Zunahme von ambulanten und einen Rückgang von stationären medizinischen Rehabilitationsleistungen", sagte Wächter. Die DRV Mitteldeutschland habe im vergangenen Jahr 700 Versicherte in Bad Suderode rehabilitiert. Bis Mitte August seinen es nun 300 gewesen.
Die Paracelsus-Harz-Klinik will die rückläufigen Belegungszahlen nicht hinnehmen. Die Gespräche mit allen Einweisern, den Rentenversicherungen aber auch umliegenden Kliniken sollen intensiviert werden.
"Wir haben gute Reha-Konzepte, engagierte Mitarbeiter und hohe Qualität, die wir immer weiter verbessern", sagt die Verwaltungsdirektorin. Auch die Reha-Patienten aus der Region könnten etwas tun, sie sollten von ihrem Wunsch- und Wahlrecht stärker Gebrauch machen, so Heinze.