Harz Harz: Konserven aus vergangener Zeit
FRIEDRICHSBRUNN/MZ. - "Am Anfang war es kunterbunt", sagt Gerd Bartsch zu seiner Sammlung: "Erst später habe ich alles systematisch aufgebaut. Der eine brachte dies vorbei, der andere das." Weniges erstand er auf Flohmärkten. Doch begonnen hatte es mit einem Konsumausweis und Konsummarken. Beides fand Bartsch im Büro seiner Kaufhalle, die er gepachtet hat und als Nahkauf Friedrichsbrunn seit 1999 betreibt. Aus diesen Anfängen entstand in zehn Jahren ein umfängliches DDR-Museum, das inzwischen aus allen Nähten platzt. "Ich bräuchte einen richtig großen Saal, um alles präsentieren zu können", gesteht er. So sind Möbel eben tabu. Denn: Wohin damit?
Die rund 300 Quadratmeter große Kaufhalle in der Ortsmitte von Friedrichsbrunn ist heute zur Hälfte Museum. Vorn werden Lebensmittel verkauft, im hinteren Teil die Geschichte der DDR anhand ihrer Produkte, von Bildern, Uniformen und vielem mehr vermittelt. Das Lager wurde nicht mehr gebraucht und so konnten nach und nach fünf Räume gestaltet werden. Es ist aber zu einem Kampf um jeden Zentimeter geworden, denn der Platz reicht hinten und vorn nicht. Gleich am Eingang, eine Tür in das Museum gibt es nicht, sind Waren des täglichen Bedarfs, wie es damals hieß, zu finden. Da stehen nicht nur Schuhcreme und Waschmittel, sondern auch Konserven und Getränke, vom Wein und Sekt bis zum Kräuterlikör.
Schon da werden bei jedem Besucher Erinnerungen wach, weiß Gerd Bartsch. Doch das ist erst der Anfang. Jede Ecke ist einem anderen Thema gewidmet. Ob FDJ, Pionierlager, Feuerwehr, Forst, Reichsbahn und und und. Zu jedem Lebensbereich sind Zeugnisse zu finden. Dazu gehören Kleidungsstücke, Orden, Bücher, Transparente usw. Die Rundfunk- und Fernsehabteilung nimmt fast einen ganzen Raum ein. 90 Prozent aller Geräte, nicht nur in diesem Bereich, sind funktionstüchtig. Bartsch beweist es mit einer andersartigen Konserve als am Eingang. Auf dem Tonbandgerät liegt ein Band bereit und ein kurzer Klick, das Gerät läuft. Typische Propaganda nach dem achten Parteitag der SED ist da zu hören.
Natürlich gibt es auch eine Ecke mit Fotos der DDR-Oberen, ob Honecker oder Mielke. "Das gehört einfach dazu", sagt der Museumsbesitzer. Und so sind drei Jahrgänge der SED-Zeitung "Neues Deutschland" von 1952 bis 1954 auch ein besonderer Schatz. "Wer hat so etwas schon, das ist eine Rarität", sagt Bartsch und war hoch erfreut, als die Frau des vor einigen Jahren verstorbenen Ex-Landrats Dieter Zehnpfund ihm diese gebundenen Exemplare brachte. Kurz aufgeschlagen, zeigt sich ein Loblied auf den großen Führer Mao, der wenige Jahre später verdammt wurde.
Natürlich fehlt in den Museumsräumen auch die EHW- und Mertik-Ecke nicht, die einst größten Betriebe im Altkreis Quedlinburg. Und die Stahl-Thale-Ecke. Gerd Bartsch offenbart sich als Thale-Fan, schon als Kind, als die Kicker seiner Heimatstadt in der Oberliga, der höchsten Spielklasse der DDR, dabei waren. Schulbücher, Fotoapparate, Küchengeräte, um noch einiges zu nennen, gehören natürlich auch zu den Ausstellungsstücken, wenn ein Rückblick auf 40 Jahre gegeben werden soll.
Eintritt nimmt Gerd Bartsch nicht. Über eine Spende freut er sich aber. "Es reicht für die Miete", sagt er. Über Besucherinteresse kann Bartsch nicht klagen, obwohl ein Hinweis außerhalb der Kaufhalle fehlt. "Ich hatte mal eine Tafel für nicht wenig Geld anfertigen lassen. Die war nach zwei Tagen kaputt, mutwillig zerstört", nennt er den Grund. Dafür ist ein Hinweis am Eingang nicht zu übersehen, und dort hängen neben Fotos zur Geschichte der Halle im Bilderrahmen die Sachen, mit denen alles angefangen hat, das Konsumbuch und die Konsummarken, die in ein Heft eingeklebt werden konnten und am Jahresende einen Geld-Zurück-Bonus brachten.
Die Sammelleidenschaft des vor wenigen Wochen 65 gewordene Bartsch ist ungebrochen. Wenn jemand etwas bringt, so integriert er es in sein Museum. Und weggeben könnte er auch nichts, wie er betont: "Das geht einfach nicht." Inzwischen hat er eine Überwachungskamera installiert und kleine Dinge, wie Orden, unter Glas verbannt. Dies nicht von ungefähr, denn ab und an fehlte etwas, wie drei Lokomotiven der Spurweite TT, die von einem zum anderen Tag nicht mehr da waren.
Wenn vielleicht, wie geplant, das ehemalige Sanatorium in Friedrichsbrunn für Belange des Orts hergerichtet wird, dann hofft Gerd Bartsch auch auf einen geeigneten Platz für seine Sammlung. Doch bis dahin muss er weiter seine Kaufhalle dafür nutzen. Ans Aufhören denkt der 65-Jährige nicht. "Wir haben nur eine Mietwohnung, da ist nicht so viel zu tun. Wenn wir ein Haus hätten, wäre es vielleicht anders", sagt er und will noch einige Jahre seinen Nahkauf betreiben.
Geöffnet ist die Kaufhalle und damit auch das DDR-Museum von Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr und am Sonnabend von 8 bis 11 Uhr.