Harz Harz: In Allrode brodelt es gewaltig
ALLRODE/MZ. - "Eigentlich müsste ich jetzt hier alle als "Bürger ohne Weitblick begrüßen, wie uns ja mittlerweile vorgeworfen wird." So ironisch begrüßte Allrodes Bürgermeister Joachim Heydecke am Donnerstagabend im Dorfgemeinschaftshaus neun Einwohner, Selbständige und Ratsmitglieder, die ihren Unmut über den nachträglichen Streit um das Bürgervotum bekundeten. Hintergrund sind die Vorwürfe und Beschwerden von Bürgern und Ratsmitgliedern um Wolfgang Kurch. Diese zweifeln das Anhörungsverfahren an und schließen nicht aus, im Rat gegen das Bürgervotum und für den Anschluss an Thale zu stimmen (die MZ berichtete).
"Ich bin maßlos enttäuscht von diesem Verhalten", sagte Kathrin Sonnert, "wer die Stimme des Volkes nicht erhört, wird seiner Verantwortung als Ratsmitglied nicht gerecht". Mehrfach sei darauf hingewiesen worden, dass der Rat so entscheiden werde, wie es die Bürger wollen. "Das Volk hat seine Meinung gesagt, für den Oberharz, damit ist das gegessen. Dagegen jetzt vorzugehen ist nicht in Ordnung", brachte Peter Lehmann seine Meinung auf den Punkt. Ratsfrau Kerstin Gaßmann erinnerte an das Votum, das zu respektieren sei.
Gewerbetreibende
"Es haben sich nunmal 220 Bürger für den Beitritt zur künftigen Stadt im Oberharz entschieden und nur 159 für den Anschluss an Thale", so Gaßmann weiter. Der Rat habe nun die Pflicht, dieses Ergebnis anzuerkennen. Für sie sei das auch das beste für Allrode, weil ein Beitritt zur neuen Stadt im Oberharz mehr Chancen biete als der Anschluss an Thale, sagte sie unter allgemeiner Zustimmung.
Zurückgewiesen wurden einhellig die Vorwürfe, die Briefwahl sei nicht korrekt gelaufen. "Es gab dabei keine Fehler, und von Wahlbeeinflussung zu sprechen, bloß, weil einer eine Meinung hat und auf Anfrage auch sagt, halte ich für falsch", betonte Joachim Heydecke. "Es waren doch gerade die Befürworter des Anschlusses an Thale, die herumgelaufen sind und für ihre Meinung geworben haben", warf Frank Voigt ein, neben Sonnert und Lehmann der dritte Gewerbetreibende in der Runde. Bei einer anderen Entscheidung der Bürger hätte es so einen Streit nicht gegeben, mutmaßt Reiner Mämecke. Das Wort vom Missbrauch der Wählerstimmen fiel mehrfach. Mit den Vorwürfen sei der Wahlausschuss verleumdet worden, wurde betont. "Wir behalten uns rechtliche Schritte gegen diese Verleumdungen, das Verfahren sei nicht korrekt gelaufen, vor", so Gelinde Reinert. Das hätten die Mitglieder des Ausschusses für ihren ehrenamtlichen Einsatz für die Gemeinde nicht verdient.
Nun sollte das Ergebnis der Prüfung der Anhörung durch die Kommunalaufsicht abgewartet und dann ein Schlussstrich gezogen werden, meinte Peter Lehmann: "Das Volk hat gesprochen - nun ist der Rat in der Pflicht."
Kaum ist die Wortmeldung der Befürworter des Bürgervotums und eines Beitritts der Gemeinde zu einer neuen Stadt im Oberharz auf dem Tisch, legen die Befürworter eines Anschlusses an Thale nach: Mit einem offenen Brief wenden sich 23 der rund 40 Gewerbetreibenden Allrodes an alle Ratsmitglieder. "Wir sehen in der Stadt Thale ein Gebilde mit einer hoch entwickelten Infrastruktur und zukunftsweisenden Konzepten für Wirtschaft und Tourismus", heißt es in dem im Ort verteilten Papier. An die Räte wird appelliert, die wirtschaftlichen Aspekte für die Zukunft Allrodes nicht zu vergessen. "Nur mit unserer Hilfe wird es gelingen, den Ort zu beleben und langfristig so zu gestalten, dass Allrode ein Ort mit Zukunft ist", wird festgestellt und kein Zweifel gelassen, dass die Unterzeichner die Gemeinde bei Thale sehen wollen. Unterschrieben hat auch der Chef des größten Arbeitgebers am Ort, Jürgen Schinke, Geschäftsführer des Hotels "Harzer Land" mit rund 70 Beschäftigten. Er kündigte sogar an, den Sitz seiner Firma nach Thale zu verlegen, falls es beim Weg in die Oberharzstadt bleibt. Das würde bedeuten, dass die Steuern nicht mehr nach Allrode, sondern nach Thale fließen. "Wir sehen die Zukunft Allrodes bei Thale", bestätigte Juniorchef Jürgen-Oliver Schinke gestern auf Nachfrage. Allrodes Bürgermeister Joachim Heydecke war ob des Briefes überrascht und äußerte sein Unverständnis. Heydecke verwies darauf, dass in Thale höhere Gewerbesteuern, Grundsteuern und Kurtaxe zu zahlen seien. Mehr könne er dazu zurzeit nicht sagen.