Harz Harz: Ein Unikat als Geschenk
QUEDLINBURG/MZ. - Zur Kinderklinik gehört nämlich die Neonatologie, umgangssprachlich auch Frühgeborenenstation genannt, die wie ein Glaspalast inmitten der Patientinnenzimmer liegt. Die Kinderkrankenschwestern können auf der Tafel genau die Babys zeigen, die mal "auf Frühchen" waren. Sie haben schicke Strickmützchen mit Bommeln auf, die drei der Schwestern in fleißiger Heimarbeit anfertigen. Die Eltern dürfen diese ersten Mützen ihrer Kinder als Geschenk der Station mit nach Hause nehmen.
Sabine Koschwitz, Heike Simon und Simone Horst stricken jedes Jahr rund 140 Mützchen für die Babys, die auf ihrer Station liegen. Ein Service, der immer wieder für Überraschung, Begeisterung und Dankbarkeit bei den Eltern sorgt. "Manche wollen sie sogar bezahlen, aber das wollen wir nicht", sagt Schwester Sabine, die sich dagegen über Wollspenden freut. Sie hatte vor rund 14 Jahren damit angefangen, Mützchen für die Frühchen zu stricken.
Die Köpfe der nur 1 500 bis 2 500 Gramm schweren Neugeborenen sind so klein, dass die im Handel erhältlichen Kopfbedeckungen nicht wirklich passen. Und passende Mützen, das weiß die Krankenschwester, sind besonders wichtig für die Babys: "Weil sie über den Kopf viel Wärme verlieren." Schwester Sabine kaufte schließlich Wolle und begann einfach mit dem Werk. Vorlage waren Köpfe der Puppen ihrer Tochter. "Die hatten so etwa die Größe." Und Stricken war schon von Kindesbeinen an ihr Hobby. Mit vier Jahren hatte sie dies bereits gelernt. Selbst gestrickte Pullover waren lange Zeit sehr beliebt. Heute sind sie leider aus der Mode gekommen, bedauert die Hobby-Strickerin.
Ihre Mützen-Idee kam bei ihren Kolleginnen, der Stationsleitung und den Ärzten genauso gut an wie bei den Müttern. Was anfangs wirklich nur für die Kleinsten gedacht war, wurde nun auf alle kleinen Patienten der Station ausgeweitet. Auch normal große Babys, die aufgrund von Krankheiten und Auffälligkeiten "auf Frühchen" müssen, bekommen sie. Allein konnte Sabine Koschwitz das natürlich nicht mehr bewältigen: Das Stricken einer Mütze dauert zwei bis drei Stunden. So suchte und fand sie bei zwei Kolleginnen tatkräftige Unterstützung. Während Simone Horst auch immer wieder gern strickte, hatte Heike Simon nur "Schal-Erfahrungen" aus der Handarbeitsstunde in der Schule. Doch sie lernte es schnell. Das Stricken macht Spaß und der Dank der Eltern ist genügend Lohn. Die Wolle wird seit fünf Jahren auch vom Klinikum finanziert oder über Spenden, wie Schwester Marion Busse, Stationsleiterin der Kinderklinik, weiß.
Keine der gegenwärtig zehn vorrätigen Mützen gleicht sich. Alle sind farblich gesehen Unikate. "Man schaut sich die Farben an und dann wird Pi mal Daumen losgelegt", meint Schwester Heike. Nur der Strickstil ist heute bei allen Mützen gleich. Der Rollrand habe sich bewährt, da die Mützen damit am besten sitzen und nicht wie Zipfelmützen wieder abrutschen, sagt Schwester Sabine. Die an selbst gedrehten Kordeln hängenden Bommeln sind am Ende das i-Tüpfelchen der Babymützen.
Verwendet wird meist spezielle Baby-Wolle aus Polyacryl. "Die fusselt nicht so." Im Sommer wird leichte Wolle genommen, die Babys müssen auch in der warmen Jahreszeit vor Wärmeverlusten bewahrt werden. "Ich finde es schön, dass die Schwestern ein Auge dafür haben", lobt Godo Jilg, der leitende Oberarzt der Kinderklinik, das über die Arbeit hinausgehende Engagement.
Gestrickt wird immer wenn mal 15 bis 30 Minuten Luft sind, wenn an freien Tagen die Hausarbeit erledigt ist oder einfach abends beim Fernsehen. Manch ein Ehegatte schüttelt da schon mal mit dem Kopf, doch Schwester Marion weiß, dass es die Liebe zum Beruf ist, die ihre Mitarbeiterinnen antreibt. "Sie sind mit Herzblut dabei. Nicht nur bei der Arbeit, wenn die Station ausgeschmückt wird, ist es genauso", freut sich die Stationsleiterin.
Zusammen mit den anderen Kinderkrankenschwestern werden auch immer wieder die jahreszeitlich wechselnden Fensterbilder für die Zimmer der kleinen Patienten der Kinderklinik gestaltet. Früher habe das eine Kindergärtnerin übernommen, jetzt machen es die Kinderkrankenschwestern, die dabei auch von Schwesternschülerinnen unterstützt werden. "Ich wollte immer Kinderkrankenschwester werden", gesteht Sabine Koschwitz. Auch Heike Simon und Simone Horst reden von ihrem Traumberuf.