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Harz Harz: Der Blick kann auch hier weit über das Land schweifen

Von GERD ALPERMANN 18.05.2011, 14:26
Jürgen Schwartz. (FOTO: WOHLFELD )
Jürgen Schwartz. (FOTO: WOHLFELD ) Photo by: Chris Wohlfeld

NEINSTEDT/MZ. - Den Worten von Pfarrer Jürgen Schwartz folgend, wird deutlich, der Mann ist ein Organisationstalent. So war seine Bewerbung als Vorsteher der Neinstedter Anstalten folgerichtig. Nach mehr als 15 Jahren auf einer Pfarrstelle in Oldenburg und seit 2008 unter anderem als Referent für Stiftungsfragen der dortigen Landeskirche tätig, ist er im Herbst vergangenen Jahres vom Kuratorium für die Neinstedter Anstalten in sein neues Amt gewählt worden. Am 1. Mai trat er seinen Dienst an und konnte zum 161. Jahresfest eine Woche später den Staffelstab von seinem Vorgänger übernehmen.

In 160 Jahren des Bestehens der Neinstedter Anstalten ist Pfarrer Schwartz erst der zehnte Vorsteher. Für ihn ein gutes Zeichen, denn dies beweise Kontinuität. Sich an die Wurzeln erinnern, heißt für ihn Inspiration aufnehmen, aber zugleich neue Herausforderungen angehen, um die diakonische Einrichtung zum Wohl der anvertrauten Menschen weiter zu entwickeln.

Der 47-jährige Pfarrer will bis zu den Sommerferien viele Gespräche mit Mitarbeitern, betreuten Menschen und Partnern der Anstalten führen, um sich ein Bild von den Stärken und Schwächen zu machen. Zum Abschied aus seiner Kirchengemeinde in Oldenburg hat er eine 1,80 Meter große Leuchtturmnachbildung bekommen. "Der Leuchtturm geht", hieß es damals in einem Artikel, auf den Jürgen Schwartz sicher stolz ist. Auch nach dem Weggang zur Landeskirche in Oldenburg hat er weiter Gottesdienste gehalten und Konfirmanden betreut. Aber warum nicht die eigenen Stärken in den Dienst der Sache stellen, betont er die Suche nach neuen Herausforderungen, die seinen Tag schon in Oldenburg mehr mit organisatorischen Arbeiten ausfüllten.

Pfarrer Schwartz bekennt ganz ehrlich, von den Neinstedter Anstalten zuvor noch nichts gewusst zu haben. Vor 1990 hinderte daran die Grenze in Deutschland, später war es immer noch die Entfernung. Doch nach ersten Besuchen im Vorharz war ihm klar: "Hier können wir heimisch werden." "Wir" - das sind seine Frau und zwei Söhne, sieben und 13 Jahre alt, die erst noch ihr Schuljahr beenden, bevor sie mit ihrer Mutter ebenfalls nach Neinstedt kommen. "Bei einer Fahrt hierher konnte der Blick weit über das Land schweifen", sagt der Pfarrer und meint, dass er mitten im Wald wohl nicht leben könnte. Die weiten Ebenen des Nordens hätten ihn eben geprägt.

Jürgen Schwartz spricht von Bodenhaftung, die ihm wichtig ist. Bei der Landeskirche in Oldenburg waren es die Gottesdienste und Konfirmandenschulungen, die immer wieder an die "Basis" zurückführten. Hier sieht er das Gespräch mit Mitarbeitern und Behinderten, die Teilnahme an ihrem Leben als solche Möglichkeiten an. Er nennt das Spiel der Theatergruppe als eines der ersten Erlebnisse. "Das finde ich große Klasse", sagt er.

Nach den ersten Wochen in Neinstedt und tieferen Einblicken sieht er die Anstalten gut aufgestellt. Die Finanzen seien in Ordnung. Er könne auf das bisher Geleistete aufbauen. Prioritäten will er zum Beispiel bei der Personalentwicklung setzen. Als einer der größten Arbeitgeber der Region sei es nicht nur wichtig, jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu geben, sondern auch eine Perspektive zum Hierbleiben zu bieten. Dies auch angesichts des demographischen Wandels.

Kontakte sollen gepflegt, neue geknüpft und verloren gegangene wieder belebt werden, sagt der Pfarrer. Er denkt dabei unter anderm an Gymnasien und Sekundarschule. Die Neinstedter Anstalten könnten Ort für Praktika sein und Jugendlichen verdeutlichen, welche Chance sie dort haben, zum Beispiel als Heilerziehungspfleger oder Diakon. Die Bautätigkeit auf dem Gelände der Anstalten wird fortgeführt, um beste Möglichkeiten der Betreuung zu bieten, gleichzeitig sollen, dem heutigen Trend folgend, die Außenwohngruppen ausgedehnt werden. Immer mehr gehe es darum, behinderte Menschen in der Mitte des Lebens zu integrieren.