Harz Harz: Bilder als Kampfmittel
HALBERSTADT/MZ. - Hätte er gewusst, welche Folgen das haben würde - Friedrich Ebert hätte an diesem 16. Juli 1919 wohl nie mit blankem Oberkörper in schlabbriger Badehose in der Ostsee gestanden und mit seinem Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) für ein Foto posiert. Doch eben dieses "Badehosenfoto" sollte ihn bis zum Lebensende verfolgen.
Ausgerechnet am Tag seiner Vereidigung zum Reichspräsidenten veröffentlichte die "Berliner Illustrierte Zeitung" dieses Bild; der linksliberal ausgerichtete Verlag wollte den ersten Mann im Staate heiter von seiner privaten Seite zeigen - ein Schuss in den Ofen in einem Land, dessen Menschen noch immer das Bild des Kaisers in Paradeuniform im Kopf hatten und in dem Prüderie herrschte.
Wenig zimperlich
Die Karikaturisten der Weimarer Republik gingen nicht zimperlich mit dem kleinbürgerlichen Aufsteiger um, das zeigt die Ausstellung "Darüber lacht die Republik", die das Städtische Museum Halberstadt bis zum April präsentiert. Die Schau mit dem Untertitel "Friedrich Ebert und 'seine' Reichskanzler in der Karikatur" stammt von der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg. Sie zeigt mehr als 70 Karikaturen der damals führenden Satirezeitschriften wie beispielsweise "Simplicissimus" oder "Kladderadatsch".
"Die Auswahl ist nicht repräsentativ für die politischen Karikaturen der Weimarer Republik. Sie erfolgte nach optischen und künstlerischen Gesichtspunkten", erklärt die Stiftung. Sie legt auch Wert darauf, dass die Zeichnungen "auch ohne komplexe Erläuterungen verständlich" sind. Dennoch sind die Zeichnungen mit erklärenden Texten versehen, die die Botschaft im historischen Kontext kurz erläutern. Freilich erklärt sich manches von selbst: "Es geht voran!" steht beispielsweise unter einer Zeichnung, die Ebert und seine Regierung auf einem Karussell zeigt.
Ebert, Sohn eines Schneidermeisters und selbst Sattler und Gastwirt, war von 1919 bis 1925 Reichspräsident. Dem politischen Aufsteiger wurde nicht viel zugetraut; Karikaturen zeigen ihn einer grätenlosen Schlenkerpuppe gleich auf einem Sofa liegend, über sich ein strammes Bismarck-Porträt, es gibt Ebert-Hampelmänner und Bilder, auf denen er Preußens König Friedrich II. von seinem Potsdamer Reiterdenkmal gehoben und sich selbst drauf gesetzt hat. Auch das "Badehosenfoto" kehrt immer wieder: "Einst und jetzt!" titelt die konservative Deutsche Tageszeitung auf einer Postkarte, die Ebert und Noske in Badehose kontrastreich mit den Konterfeis von Kaiser Wilhelm II. und dessen Feldmarschall Hindenburg in ihren Paradeuniformen umrahmt. Das Foto "wird zum Kampfmittel gegen die Republik", stellt die Heidelberger Stiftung fest.
Wie zum Kaisergeburtstag
Zugleich aber wird die "Früher-war-alles-besser"-Mentalität von anderer Seite aufs Korn genommen: Ein Lehrer gibt seinen Schülern wie sonst zum Kaisergeburtstag frei. Nur dass es dieses Mal um Ebert geht. Die lieben Kleinen sollen zur Feier des Tages ein Lied anstimmen - und singen doch prompt die Kaiserhymne...
Die Stiftung beleuchtet anhand der Karikaturen auch das Umfeld Eberts. Und in welchem Zustand befand sich die Weimarer Republik: 20 Regierungen gab es in den 14 Jahren von 1919 bis 1933. Sie waren geprägt von den Folgen des Ersten Weltkrieges, vom großen Börsencrash und Inflation. Im November 1923, dem Höhepunkt der Hyperinflation, zieht der "Kladderadatsch" den Vergleich zwischen Finanzminister Luther und seinem berühmten Namensvetter aus dem 16. Jahrhundert; nur dass der aktuelle Luther 95 neue Steuern an die Tür seines Ministeriums nagelt.
Manche Karikaturen, so die Stiftung, "wirken noch heute erstaunlich aktuell. Das spricht für die außergewöhnliche Qualität der Karikaturisten und ihrer Werke." Etliche gingen auch daneben: Ebert führte bis zu seinem Tod 1925 mehr als 200 Prozesse gegen die Verleumdung seiner Person.