1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Harz: Harz: Aus der geistigen Enge zur Macht

Harz Harz: Aus der geistigen Enge zur Macht

Von RITA KUNZE 09.12.2010, 17:00

BALLENSTEDT/MZ. - "Es ist eine Tragik, dass diese Frau keine Regierungsgeschäfte übernehmen konnte", sagt Bettina Fügemann. Die Ballenstedter Kulturamtsleiterin hat sich mit einer besonderen Vertreterin des anhaltischen Adels beschäftigt: Prinzessin Wilhelmine Luise von Anhalt-Bernburg - schön, selbstbewusst, hoch gebildet. In der Anhalt Edition Dessau sind biografische Skizzen erschienen; Bettina Fügemann beschreibt darin den Lebensweg der 1799 geborenen Prinzessin, die mit 18 Jahren den Neffen des Königs Friedrich Wilhelm III., Friedrich von Preußen (1794-1863) heiratete. Zeitgenössische Porträts der Familie sowie deren Residenzen runden das Bild ab.

Auch nach dem Umzug nach Berlin und später auf Burg Rheinstein kehrte Wilhelmine Luise gern in ihre alte Heimat zurück, oft führte sie ihr Weg nach Alexisbad. In der Region ist sie heute noch präsent: Wer am Luisentempel bei Alexisbad die Aussicht aufs Selketal genießt, steht an einem Denkmal, das Herzog Alexius Friedrich Christian im Jahr 1823 zu Ehren seiner Tochter errichten ließ. Die Mägdesprunger Eisenhütte hatte dafür sechs ionische Säulen gegossen, die eine kleine Kuppel tragen. Doch auch künstlerische Ambitionen der so Geehrten selbst haben die Zeiten überdauert: Besucher der kleinen Kapelle in Alexisbad können dort das Gemälde "Christus trägt sein Kreuz" betrachten, das von der Prinzessin höchstselbst gemalt wurde.

Durch ihre Heirat gelangte die Prinzessin aus der "geistigen Enge" der Ballenstedter Provinz ins Zentrum der Macht. "Diese Ehe zwischen dem Prinzen Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen und der Prinzessin Wilhelmine Luise von Anhalt-Bernburg war eine Herzensangelegenheit", schreibt Bettina Fügemann. Bei einem Jagdausflug in Dessau soll sich der Prinz verliebt haben. Doch Gefühle sind das eine, Verhandlungen über Eheverträge etwas ganz anderes, und die zogen sich hin. Die erhalten gebliebenen Dokumente lassen auf einen generösen Brautvater schließen: "Luise erhielt eine Mitgift von 75 000 Talern und eine jährliche Apanage von 10 000 Talern, außerdem Aussteuer im Wert von 21 000 Talern. Damit war sie durchaus eine reiche Braut", so Bettina Fügemann. Der Preußenspross hatte eine gute Partie gemacht, nicht nur aus finanzieller Sicht. Wilhelmine Luise bestach durch ihr Wesen, wie der rheinische Regierungspräsident Philipp von Pestel entzückt schrieb: "Das lieblich freundliche Benehmen der Prinzessin Königl. Hoheit bezaubern die Herzen aller, die bis jetzt das Glück hatten,

höchstderselben vorgestellt zu werden." Politisch mitzureden hatte sie nicht, engagierte sich jedoch sozial. "Christliche Wohltätigkeit war selbstverständlich für sie", sagt Bettina Fügemann. "So engagierte sie sich bereits 1833 bei der Gründung des Evangelischen Asyls für weibliche Strafentlassene in Kaiserswerth sowie bei der dortigen Diakonissenanstalt."

Mit Luises Tod im Dezember 1882 erlischt die Fürstenfamilie von Anhalt-Bernburg. Ihre Söhne hinterließen keine Nachkommen.

Bettina Fügemann, "Prinzessin Wilhelmine Luise von Anhalt-Bernburg (1799-1882), Biografische Skizzen 1", Anhalt Edition Dessau, ISBN 978-3-936383-17-1