Hagentalstollen bei Gernrode Hagentalstollen bei Gernrode: Der Laufsteg mitten im Berg

Gernrode - Marko Rülke und sein Kollege beladen den kleinen selbstgebauten Wagen - den Ketscher, wie die Bergleute sagen: vier zuvor zurechtgesägte Holzbohlen, vier Metallböcke.
„Das bringen wir nach vorn“, sagt Rülke.
„Vorn“ - das heißt derzeit gut 75 Meter in den Berg, in den Hagentalstollen hinein. Dort sind weitere Mitarbeiter der Firma BST Mansfeld GmbH und Co KG dabei, den inzwischen schon entstandenen „Steg“ - das Tragwerk, wie der Fachmann sagt - weiter zu verlängern.
Stück für Stück soll der Stollen so zugänglich gemacht werden.
Eine Vorarbeit. Denn der Landkreis Harz will den Altbergbau-Stollen bei Gernrode sanieren.
Hagentalstollen bei Gernrode: Schlamm setzt sich im Mensingteich ab
Erforderlich ist das, weil hier seit vielen Jahren eisen- und salzhaltiges Wasser aus dem Berg herausläuft.
Eigens gebaute Kaskaden ermöglichen, dass das Eisen aus dem kontrolliert abgeleiteten Wasser mit dem Luftsauerstoff reagiert. Der entstehende Schlamm kann sich im Mensingteich absetzen, ehe das Wasser weiter in den Steinbach fließt.
Doch der Salzgehalt bleibt unverändert. Und so beeinflusst das Wasser aus dem Berg den Bach auf einer langen Strecke - und auch nächste Gewässer. Künftig - so ist es geplant - soll ein Damm, der im Stollen gebaut wird, das Wasser im Berg zurückhalten.
Der geeignete Standort für das Bauwerk muss aber erst noch gefunden werden.
Hagentalstollen bei Gernrode: Inventar soll dokumentiert werden
Geologen und Hydrogeologen sollen dafür das „geologische Inventar“ dokumentieren - das Gestein, Klüfte, Spalten, Öffnungen, erklärt Ronny König, Projektleiter bei der Firma BST.
Er und sein Team ebnen dafür den Weg: Denn einfach in den Stollen hineingehen - im Hagental unmöglich. Über die Jahre hinweg hat sich in dem Stollen, in dem eine Stahlwand das Wasser vom unkontrollierten Weiterfließen abhält, eine bis zu 80 Zentimeter hohe Eisenhydroxidschlammschicht gebildet.
„Der Schlamm ist unheimlich mobil. Sobald man hineintritt, wird er aufgewirbelt und läuft mit dem Grubenwasser nach draußen“, sagt Ronny König.
Deshalb wird nun der „Steg“ gebaut. So lässt sich der Stollen betreten, ohne dessen Sohle zu berühren.
Hagentalstollen bei Gernrode: Schlamm darf nicht aufgewirbelt werden
Bevor die Arbeiten im Berg starteten, wurde ein „Havariebecken“ angelegt. Sollte sich aus irgendeinem Grund eine Schlammlawine lösen, kann die „normale“ Ableitung geschlossen, das abfließende Wasser in das Becken geleitet werden.
Im Dezember begannen die Arbeiten im Stollen. Für den Bau des „Stegs“ werden Metallböcke auf die Stollensohle gestellt - so, dass sie nahezu horizontal und auf jeden Fall fest stehen, erläutert der Projektleiter.
„Das Problem ist, dass man die Sohle wegen des Schlamms visuell nicht begutachten kann.“
Dort befinde sich noch ein altes Gleis, auch altes Holz, Rohre oder Kabelreste lägen auf der Sohle. So könnten schon mehrere Versuche nötig sein, ehe ein Metallbock richtig stehe.
Auf die Böcke werden dann Holzbohlen gelegt und fest verschraubt.
Hagentalstollen bei Gernrode: Auch den Blick oben behalten
Der Blick der Bergleute geht aber auch nach oben: Der vordere Teil des Stollens, wo das Gestein noch brüchiger Hornfels ist, war durch einen Stahlausbau gesichert worden.
An einer Stelle hatte dieser alte Ausbau bereits nachgegeben, war loses Gestein in den Stollen gefallen, schildert König.
„Wir mussten die defekte Ausbaustelle rekonstruieren und das Material, das in den Stollen gefallen war, dort entfernen, wo die Böcke aufgestellt wurden.“
Hagentalstollen bei Gernrode: Letzte Begehung vor 14 Jahren
Letztmalig wurde der insgesamt 1 600 Meter lange Stollen im Jahr 2004 komplett begangen.
„Daher wissen wir nicht, was uns noch erwartet“, so der Projektleiter.
Doch bis Ende März sollen die Arbeiten, mit denen der Stollen auf einer Länge von 600 Metern zugänglich sein wird, abgeschlossen sein. Noch im Januar nehmen parallel zu den Bergleuten die Geologen ihre Arbeit auf.
Ist alles erfasst, wird Thomas Schwengfelder ein Konzept für die Sanierung erstellen. Der Geologe von der Merseburger HPC AG ist jetzt schon regelmäßig vor Ort, um sich im Stollen umzusehen.
Für das Begehbarmachen des Stollens wie die Konzepterarbeitung wird eine halbe Million Euro investiert, zu 100 Prozent gefördert durch das Land.
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Im Wochenabstand mussten die Bergleute auf der Baustelle am Hagentalstollen zwei Einbrüche feststellen. Wie Ronny König, Projektleiter der Firma BST, sagt, seien beim ersten Einbruch unter anderem Bekleidung und Schutzhelme gestohlen worden. Beim zweiten Mal hätten Unbekannte versucht, in den Stollen einzubrechen. Ein solcher Einbruch „wäre fatal“, so König. Würde der Schlamm aufgewühlt, würde er über das Wasser aus dem Berg abfließen und „in der Bode landen“, so der Projektleiter. Es gehe nicht nur um den Schaden, der dem Unternehmen entstehe - „es ist auch eine Frage des Gewässerschutzes“. Die Polizei sei informiert und habe auch zugesichert, hier zu kontrollieren. „Wenn Gernrödern etwas auffällt, dann sollten sie das melden“, so die Bitte von Ronny König. (mz)

