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Trost für Patienten Grüne Damen am Harzklinikum Quedlinburg suchen Verstärkung: Hilfe für Patienten ohne Angeörige in Nähe

Von Susanne Thon 11.09.2020, 07:56
Klinikseelsorger Matthias Zentner und Leonore Hollstein, Teil des Leitungsteams der Grünen Damen im Quedlinburger Harzklinikum, stimmen sich ab.
Klinikseelsorger Matthias Zentner und Leonore Hollstein, Teil des Leitungsteams der Grünen Damen im Quedlinburger Harzklinikum, stimmen sich ab. Susanne Thon

Quedlinburg - Da ist die Mutter, voller Sorge um ihr krankes Kind. Da ist der Mann, der seit Wochen nichts anderes gesehen hat als die Wände im Krankenhaus, dem Koller nah ist. Da ist die Frau, die von ihren Zimmernachbarinnen gemieden wird, weil die nicht mit ihrer Demenz umzugehen wissen, oder es nicht können, selbst vor Behandlungen stehend.

Und da sind die Grünen Damen, die der Mutter zuhören, sie ihr Herz ausschütten lassen, die den Mann an die frische Luft bringen und die sich der ausgegrenzten Frau annehmen.

Grüne Damen trösten Patienten, nehmen Ängste und bereiten Freude

Es sind vermeintlich kleine Dinge, mit denen sie zum Wohlbefinden beitragen: mal ein Gespräch, mal ein Spaziergang, eine Besorgung. Ehrenamtlich schenken sie den Patienten im Quedlinburger Harzklinikum „Dorothea Christiane Erxleben“ und Bewohnern der Pflegeeinrichtungen der Proklin Medical Care Zeit und Zuwendung, nehmen ihnen Ängste, trösten und bereiten ihnen Freude - und das seit nunmehr fast zweieinhalb Jahrzehnten.

Bereits seit November 1997 gibt es die Gruppe, sie wurde von Barbara Hofmann ins Leben gerufen – als Ergänzung zu den Bemühungen von Ärzten und Pflegenden um die Gesundung der Patienten.

Damals kritisch beäugt - das Angebot war neu, für manch einen vielleicht ein bisschen ungewohnt -, steht der Einsatz der Grünen Damen heute außer Frage. „Wir sehen uns als Teil des pflegerischen Teams“, sagt Leonore Hollstein.

Zusammen mit Beate Treu und Elisabeth Donner bildet sie das Leitungsteam der Grünen Damen, die werktags zwischen 9 und 12 Uhr unterwegs sind und eng mit Klinikseelsorger Matthias Zentner zusammenarbeiten.

Ärztlicher Direktor lobt die wertvolle Kooperation mit den Grünen Damen

„Sie schenken den Patienten ihre Freizeit und sind somit auch Bestandteil der medizinischen Therapiekonzepte“, versichert Peter Nartschik, Ärztlicher Direktor und Chefarzt. Pflegedirektorin Gundula Kopp bezeichnet die Zusammenarbeit mit den Grünen Damen auf den Stationen als sehr wertvoll.

Ihren Einsatz weiß man auch bei der Stadt zu schätzen. Und so brachten die Stadtratsvorsitzende Sylvia Marschner und Quedlinburgs Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) unlängst eine Spende im Krankenhaus vorbei.

585 Euro. Das Geld stammt aus den Standgebühren des Bürgerfrühstücks im vergangenen Jahr. „Wir möchten öffentlich machen, wie wichtig uns Ihre Arbeit ist“, sagte Marschner, an die Grünen Damen gewandt.

Doch bei aller Dankbarkeit über das Geld, das Hollstein zufolge eingesetzt werden soll, „um Patienten auch mal eine kleine Freude zu machen“, bereitet den Grünen Damen etwas Sorge:

Vier von 22 Ehrenamtlichen beenden bald ihre Tätigkeit aus Altersgründen

Demnächst steigen gleich vier der 22 Ehrenamtlichen altersbedingt aus, darunter auch die letzten beiden noch aktiven Gründungsmitglieder Sigrid Lassowsky und Renate Sehmsdorf.

„Das ist fast ein Aderlass“, sagt Zentner. Die Arbeit wird aber nicht weniger, ihr Einsatz immer wichtiger, spürt er doch „eine zunehmende Einsamkeit auf der Station“. Es gebe heute deutlich mehr Patienten, die keinen Besuch bekämen, weil die Kinder weit weg lebten.

Einst gegangen der Arbeit wegen. Und auch wenn sie ihnen vor Jahren zu diesem Schritt geraten hätten, „bedeutet das jetzt, im Alter, doch was anderes“, wünschten sich viele die Kinder zurück in ihre Nähe, sagt der Klinikseelsorger.

Er und Hollstein - und die anderen Grünen Damen - suchen nun auch dringend Verstärkung. Was eine Grüne Dame braucht? Ein gutes Herz und ein offenes Ohr, die Bereitschaft zuzuhören, denn man könne keinen Trost spenden, wenn man drauf los plappere, sagt Zentner.

Verlass müsse auf sie sein - „Klinik und Patient müssen davon ausgehen können, dass alles in ihrem Sinne funktioniert“ - und so viel Zeit haben, dass sie einmal pro Woche einen Dienst übernehmen könne, erklärt der Klinikseelsorger.

Doch auch wenn immer von Grünen Damen die Rede ist - es muss keine Ehrenamtlerin sein. Auch Männer sind gern gesehen. Und Jüngere. Denn bis auf zwei Mitglieder haben laut Hollstein alle die 60 Jahre überschritten, sind auch erst im Rentenalter zu den Grünen Damen gestoßen.

Aus den Bewerbungsgesprächen wissen sie und Zentner, dass sie der Ruhestand nicht gänzlich ausgefüllt, oftmals der Wunsch, eine Aufgabe zu übernehmen, sie dazu bewogen habe. „Jeder der kann, sollte sich einbringen“, sagt Hollstein.

Sie sieht es auch als eine Art Verpflichtung an. „Unser Leben baut darauf auf, in der Gemeinschaft füreinander da zu sein und Verantwortung zu übernehmen.“ Füreinander da ist auch das Team, ein eingeschworenes Trüppchen, das Corona über Wochen zum Nichtstun verdammt hat. Zum ersten Treffen nach der Zwangspause waren alle anwesend. Die soziale Komponente dürfe man nicht unterschätzen, sagt Zentner.

Alle ehrenamtlichen Grünen Damen treffen sich einmal im Monat

Einmal im Monat treffen sich die Ehrenamtlichen. Dann geht es um ganz verschiedene Themen, um die Grundfragen der Kommunikation, um Gesprächsführung, die seelsorgliche Grundhaltung. Auch Fachvorträge hören sie sich an. Um inhaltlich sicherer zu werden - und damit auch im Umgang mit dem Patienten, etwa, wenn die an Demenz erkrankt sind.

Das Ehrenamt als Grüne Dame, es ist ein anspruchsvolles, verlangt den Ausführenden auch eine gewisse Sensibilität, aber auch Belastbarkeit ab. Schließlich helfen sie anderen, eine Last mitzutragen. Allein gelassen wird auch kein Neuling.

Nach dem Bewerbungsgespräch wird er erst mal die Hand genommen, eine Zeitlang begleitet. Optional kann ein Grundkurs belegt werden. Er ist allerdings keine Voraussetzung, den Dienst antreten zu können. Der hält immer wieder neue Herausforderungen bereit. „Man lernt dabei, die eigenen Probleme zu relativieren“, sagt Hollstein.

Wer Kontakt aufnehmen möchte, kann das unter 03946/9 09 18 09 oder per E-Mail an [email protected]. (mz)