Glasmanufaktur in Derenburg Glasmanufaktur in Derenburg: Wo aus Kröseln Blüten werden

Derenburg/MZ - Kleine bunte Glaskrümel rieseln wie Salz durch Kinderfinger: Emma und Julie sind beim Fusen. Die Mädchen sitzen in einem Raum der Derenburger Glasmanufaktur „Harzkristall“ und gestalten Bilder aus Glas. Nebenan sind die Glasmacher vor den Brennöfen bei ihrer Arbeit.
Das Fusen - zu Deutsch „Verschmelzen“ - gehört zu den jüngsten Angeboten der Hütte, die sich dafür die „GlasFee Tinka“ eingeladen hat. Die Bochumer Künstlerin zeigt den Neulingen, wie das „Puzzeln mit Glas“ funktioniert. Die Sache macht Spaß, aber sie ist nicht ganz so leicht, wie es auf den ersten Blick aussieht. Tinka hilft mit geschickten Händen weiter, wenn es für die Laien nicht weitergeht.
Mit Geschick und Geduld
Eiförmige, mehrere Millimeter dicke Scheiben aus klarem Kristallglas dienen als Untergrund. Wie Pauspapier liegen sie über dem Motiv, das die Kinder aus buntem Glas „malen“ wollen. Neben den „Kröseln“, kleinen, kiesel-steinähnlichen Stückchen, gibt es noch feines Pulver, das wie Sand durch die Finger rinnt. So erinnert das Gestalten von Linien und Formen auch ein wenig an das Malen von Sandbildern. Es erfordert etwas Geschick, eine ruhige Hand und vor allem: Geduld. Emma und Julie haben sehr viel davon. Sie schieben mit feinsten Spateln und kleinen Pinseln die bunten Glasteilchen auf dem glatten Untergrund zu Blüten, Kreisen und schwungvollen Linien zusammen. Die eine mag es dabei knallbunt, die andere hält sich an eine Palette aus Blau- und Grüntönen. Je dicker die Schichten, umso kräftiger werden nach dem Brennen die Farben erscheinen.
Mitnehmen können die Mädchen ihre kleinen Kunstwerke allerdings erst in ein paar Tagen. Das Brennen dauert mindestens zehn Stunden, erklärt Tinka. „Das Glas, das ja am Anfang kalt ist, wird langsam und stündlich hochgebrannt, bis auf 800 Grad. Dann schmelzen die Schichten zusammen, dieser Prozess wird etwa 20 Minuten gehalten.“ Danach wird die Temperatur auf 500 Grad abgesenkt. Der „Glühpunkt“ ist erreicht, an dem „die Glasmoleküle sich wieder beruhigen. Das muss länger gehalten werden, damit das Glas keinen Stress bekommt und zerspringt.“
Die „GlasFee“ spricht von dem Material, als wäre es lebendig. Seit 15 Jahren arbeitet sie mit Glas, hat in England Glastechnologie und Design studiert. Glas hat sie schon immer fasziniert: „Das ist das Material, mit dem man am meisten machen kann.“ In ihrer Werkstatt im Ruhrgebiet macht sie vor allem Spiegelkunst und Glasparavents, Bleiverglasungen und architektonische Fensterkunst, aber auch „Glühbirnchen“, die sie bemalt.
Mit der Derenburger Manufaktur würde sie neben dem Fusen gern noch anderes machen, sagt sie: „Siebdruck auf Glas zum Beispiel. Das geht dann mehr ins Grafische.“ Die Zusammenarbeit mit „Harzkristall“ kam durch Kontakte von Peter Kuchinke zustande, der dort jüngst die „Zauberlampe“ von Otmar Alt erschaffen hat (die MZ berichtete). Die Glasmanufaktur ist bemüht, mehr Künstler nach Derenburg zu holen, sagt Unternehmenssprecherin Janett Parschau. „Wir suchen nach Synergien, die beide weiterbringen“, sagt sie. Es gebe ja nicht mehr viele Hütten, die das nötige Know-how hätten. „Wichtig ist auch: Wir haben hier erfahrene Glasmacher.“
Besucher brauchen Puste
Einer von ihnen ist Michael Zappen. Während Emma und Julie mit Tinka beim Glaspuzzeln sind, bringt er Tayler bei, wie eine Glückskugel geblasen wird. „Das ging leicht“, sagt der Sechsjährige, der zum ersten Mal in seinem Leben gesehen hat, wie Glas geformt und verarbeitet wird. Eine Kugel herzustellen, sei so, als würde man einen schweren Luftballon aufblasen, erklärt Zappen: „Ein bisschen Pfeffer möchte schon dahinter sein.“ Wenn ein Kind nicht genug Puste habe, dann müssten die Eltern mit ran. Aber „hier geht jeder mit einer formschönen Kugel raus“, betont Janett Parschau.
Über die Osterfeiertage erwarte die Manufaktur wieder viele Besucher, die sich natürlich auch eine Glücks- oder eine Durstkugel blasen können. Letztere ist als Wasserspeicher für Blumentöpfe oder Kübel gedacht. Zu Ostern gibt es beim „Harzkristall“ aber nicht nur buntes Glas, sondern auch jede Menge bunte Eier. „Viele Familien bringen ihre eigenen Osterkörbchen mit und verstecken sie in der Außenanlage. Durch die Erweiterung unserer Gartenlandschaft wird das immer mehr angenommen“, sagt Janett Parschau.
Mehr zur Glasmanufaktur im Internet unter www.harzkristall.de

