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Geschichte Geschichte: Rathaus in Bad Suderode hatte viele Funktionen

Von Detlef Anders 30.11.2014, 16:08
Das von Kletterrosen und Wein ein wenig bewachsene Bad Suderöder Rathaus mit seinem Holzbalkon hat eine wechselvolle Vergangenheit.
Das von Kletterrosen und Wein ein wenig bewachsene Bad Suderöder Rathaus mit seinem Holzbalkon hat eine wechselvolle Vergangenheit. Frank Drechsler Lizenz

Bad Suderode - Als Gert Sauer 1974 nach dem Studium nach Bad Suderode zurückkam, wurde er Bürgermeister seines Heimatortes, in dem er seit 1961 lebte. 1981 bezog er sogar in der ersten Etage des Rathauses, da wo heute sein Dienstzimmer, Küche, Sekretariat und ein Teil des Ratssaals sind, eine Wohnung. Das Rathaus wurde für vier Jahre im wahrsten Sinne des Wortes sein zu Hause.

Und so kann Sauer heute viel über die Geschichte des Backsteinhauses mit einem der ortstypischen Holzbalkonen erzählen. Obwohl er über zwei wichtige Daten des Hauses auch nur spekulieren kann. Das genaue Baujahr und der Zeitpunkt, an dem es Rathaus wurde, ist in keiner Chronik zu finden. Sauer denkt, dass das Haus 1888 gebaut wurde, weil zu diesem Zeitpunkt die Poststation in der Brinkstraße umzog.

Ehemalige Privat-Pension mit dem Namen „Villa Post“

Allerdings war es damals kein großes Postamt, wie es 1909 in der Bahnhofstraße gebaut wurde. Alte Ansichtskarten dokumentieren ab 1902 für das heutige Rathaus eine Nutzung als Privat-Pension mit dem Namen „Villa Post“. Eigentümer war Max Kilian, nach dem die Pension ab 1910 dann als „Kurheim Haus Kilian“ bekannt ist.

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Mit dem Beginn des ersten Weltkrieges und dem damit verbundenen Ausbleiben von Kurgästen und Sommerfrischlern wurde das Haus zum Reservelazarett. 1929 taucht die Bezeichnung Rathaus zumindest das erste Mal auf einer Ansichtskarte auf. Nachdem Bad Suderode früher durch einen Dorfschulzen angeführt wurde und dessen Dienstzimmer im eigenen Wohnhaus war, gab es später Gemeinde- oder Amtsvorsteher. In der Chronik von Rosedore Palme sind Aussagen zu baulichen Veränderungen erst nach 1933 zu finden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie das Rathaus in Bad Suderode während der Nazi-Zeit genutzt wurde.

So wurde der heutige Rathausplatz von den Nazis im April 1933 zum Adolf-Hitler-Platz erklärt. Im Rathaus waren das Standesamt, Meldeamt, eine Gemeindeschwesternstation, die Polizeistation und Büros der NSDAP untergebracht. Als Gert Sauer einmal im Keller Räume umbauen ließ, brach eine Decke ein, unter der viele Dokumente aus der Nazi-Zeit gefunden wurden.

„Gemeinderatssitzungen konnten wir da nicht abhalten.“

Schon in der dreißiger Jahren wohnten Angestellte der Gemeinde über den Dienstzimmer im Erdgeschoss. Als Sauer Bürgermeister wurde, sah das ähnlich aus. Nicht nur er, sondern er als Bürgermeister, auch der „Abschnittsbevollmächtigte“ war beispielsweise unter den Mietern. Büros gab es neben denen einiger typischer Gemeindeangestellter auch für den ABV und ein Mitarbeiter „Inneres“. Als hauptamtlicher Bürgermeister war Sauer immerhin Chef von mehr als 40 Gemeindemitarbeiter. Im Rathaus gab es zwar einen Gemeinderaum im Keller, doch der reichte nur für Pausen der Mitarbeiter. „Gemeinderatssitzungen konnten wir da nicht abhalten.“ Mit 20 und 1989 sogar 30 Gemeinderäten und je acht Nachrückern, die auch jedes mal dabei waren, musste im Central-Hotel, im Viktor-Höth-Heim oder Seniorentreff beraten werden, so Sauer.

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Einen Tag, den Sauer nicht vergisst, war der 5. Januar 1990. „Ich lag schon im Bett, da klingelte das Telefon. Meine Stellvertreterin rief an und sagte, das Rathaus brennt.“ Er wollte das nicht glauben und machte sich sofort in die Spur. „Die Flammen schlugen schon aus dem Dach.“ Der ABV hatte schon vergeblich versucht, den Brand, der im Dachgeschoss durch ein unentdecktes Loch des Schornsteins im Bereich der Deckenbalken entstanden war, zu löschen. Er weckte die letzten Mieter und alarmierte die Feuerwehr. „Der Wasserschaden war am Ende größer als der Feuerschaden“, weiß Sauer. In einem Wohnhaus in der Brinkstraße entstand ein provisorisches Amt.

Gemeindeverwaltung zog 1994 in das Verwaltungsamt nach Gernrode aus

„Wir hatten damals keine Baukapazitäten. Deshalb schrieb ich dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht.“ Und tatsächlich kamen drei Wochen später zwei Mitarbeiter aus Niedersachsen, sahen sich das Rathaus an und schicken tatsächlich das benötigte Baumaterial, das dann von regionalen Firmen verbaut wurde.

Sauer war im November 1991, als das Rathaus wieder bezogen werden konnte, nicht mehr Bürgermeister, sondern Gemeinderat. Es gab nun keine Wohnungen mehr, sondern eine komplette Verwaltung und einen Saal, dessen Einrichtung wie auch die des Bürgermeisterzimmers die neue Partnerstadt Bad Karlshafen sponserte.

Die Gemeindeverwaltung zog 1994 bis auf die Kurverwaltung in das Verwaltungsamt nach Gernrode aus. Firmen mieteten sich in einige Büros ein, auch der Projektsteuerer des Kurzentrums arbeitete hier. Nachdem mit der Fertigstellung des Kurzentrums die Kurverwaltung und die im Keller untergebrachte Bibliothek 1996 auszogen, konnte auch der 1994 wiedergewählte, nun aber ehrenamtliche Bürgermeister Sauer, wieder das große Büro beziehen. Im Dachgeschoss wurde die Heimatstube vom Harzclub eingerichtet. Auch der Freundeskreis Alte Kirche hat sein Büro hier. Seit Januar sind im Erdgeschoss eine kleine Tourist-Information zu finden sowie ein Kosmetik-Studio und das Bauarchiv des Kurzentrums. Im Keller zog vor einem Jahr die Bibliothek wieder ein. Und wer weiß, vielleicht werden ja irgendwann auch wieder Urlauber hier beherbergt. Das Rathaus als Bettenhaus eines neuen Kurhotels? (mz)