Freizeit-Projekt in der Lindenstraße Freizeit-Projekt in der Lindenstraße : War es ein Versehen oder blankes Kalkül?

Quedlinburg - Wenn Christiane und Ulrich Thomas am Samstag mit mehr als 100 Gästen feiern, dann wird es neben den beiden 50. Geburtstagen und der Silberhochzeit wohl vor allem um ein Thema gehen: um ein Gartengrundstück in der Lindenstraße, das Christiane Thomas vor etwa zwei Jahren von der Stadt Quedlinburg gekauft hat.
Freizeit-Projekt in der Lindenstraße: Aus Grünland wird Bauland
Das Problem: Das Grundstück liegt am Rand des Bereichs, den die Stadt zum „Freizeit-, Sport- und Erholungsareal Lindenstraße“ entwickeln will. Aus verhältnismäßig billigem Grünland wird dadurch Bauland.
Ratsmitglieder werfen dem CDU-Politiker Ulrich Thomas, der im Landtag sitzt, die Fraktion im Stadtrat führt und dem Wirtschafts-, Vergabe- und Liegenschaftsausschuss vorsitzt, mehr oder weniger offen ein Insidergeschäft vor.
Hinzu kommt, dass der Politprofi Thomas gegen das Kommunalverfassungsgesetz verstoßen hat, weil er an den Abstimmungen über die Änderung des Flächennutzungsplans teilgenommen hat, obwohl seine Frau direkt davon betroffen ist.
Freizeit-Projekt in der Lindenstraße: Kommunalaufsicht hat sofort reagiert
Auf eine Beschwerde von Susan Sziborra-Seidlitz, der Vorsitzenden der Fraktion Grüne/QfW, hat die Kommunalaufsicht beim Landkreis Harz sofort reagiert.
Mit dem Quedlinburger Ratsbeschluss werde aus einer Landwirtschaftsfläche eine Wohnbaufläche. „Dies bedeutet aufgrund der Wertsteigerung einen unmittelbaren Vorteil für die Ehefrau. Die Prüfung hat ergeben, dass der Beschluss damit unwirksam ist“, teilt der Landkreis mit.
Freizeit-Projekt in der Lindenstraße: Stimmen aus dem Stadtrat
„Ich bin geneigt, jedem ein Versehen bei einem Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot zu unterstellen“, sagt Susan Sziborra-Seidlitz. „Bei einem erfahrenen Abgeordneten wie Ulrich Thomas fällt mir das aber sehr schwer.“
Deutlicher wird Christian Schickardt, der SPD-Fraktionsvorsitzende: „Ich habe den Eindruck, dass Herr Thomas und Oberbürgermeister Frank Ruch das von langer Hand vorbereitet haben“, sagt er der MZ.
„Mir kann keiner erzählen, dass sie nicht gewusst haben, dass Thomas nicht mit abstimmen darf.“
Freizeit-Projekt in der Lindenstraße: Gemeinsam gemauschelt
Nach seiner Meinung haben der CDU-Oberbürgermeister und der CDU-Fraktionschef gemeinsam gemauschelt, um den Grundstückswert in die Höhe zu treiben.
Dass der Vorschlag zur Höherstufung der Fläche zum Wohnbauland von der Kreisverwaltung gekommen sei - wie es von der Stadt heißt -, hält Schickardt für eine Schutzbehauptung.
Freizeit-Projekt in der Lindenstraße: Neue Abstimmung am 3. Mai
Fest steht: In der Ratssitzung am 3. Mai wird über die Änderung des Flächennutzungsplans und über den Bebauungsplan 48 noch einmal abgestimmt.
Laut Oberbürgermeister Ruch treten diese Beschlüsse dann rückwirkend zum 30. Dezember 2017 in Kraft.
Ulrich Thomas: An das Grundstück nicht gedacht
„Ich kann mich für dieses Versehen nur entschuldigen“, sagt Ulrich Thomas der MZ. „Ich wollte meine Hand für das Bauprojekt heben“, sagt er.
An das Grundstück in der Lindenstraße habe er in diesem Augenblick nicht gedacht.
Diese Parzelle wird von der Familie Thomas bereits seit knapp 25 Jahren als Kleingarten gepachtet und gepflegt. 2015 habe Thomas es dann als „Rückzugsort“ kaufen wollen - was sich dann fast ein Jahr lang hinzog.
Freizeit-Projekt in der Lindenstraße: Wertgutachten als Wochenendgrundstück
Wie die Stadt bestätigt, habe es für den Kauf der 1.668 Quadratmeter großen Fläche mit der Flurstücksnummer 43 ein Wertgutachten gegeben, das auch mit einrechnete, dass aus der Grünfläche ein Wochenendgrundstück werden solle.
Die Umwandlung in ein allgemeines Wohngebiet - die den Wert noch einmal deutlich steigert - wurde dabei freilich noch nicht mit berücksichtigt.
„Ich konnte damals nicht absehen, dass das Bauland wird“, sagt Thomas. Und er habe - wie Ruch auch bestätigt - keinen Einfluss auf diese Entwicklung gehabt.
Er werde, beteuert Thomas, die abgerissene Laube durch ein Gartenhäuschen ersetzen, „nichts Pompöses“ - und die Fläche definitiv nicht mit Gewinn verkaufen. Wie Ruch sagt, wäre das innerhalb von zehn Jahren nach dem Kauf ohnehin nicht möglich. Da würden die Gewinne in die Stadtkasse fließen.
Im Stadtrat macht bereits das Gerücht die Runde, dass Thomas schon angefangen habe, sein Häuschen zu bauen - ohne Baugenehmigung. Tatsächlich buddelt auf dem Grundstück ein Bagger. „Wir reparieren gerade die Zufahrt“, sagt Thomas. „Das ist genehmigungsfrei.“ (mz)