Menschenrechte Flüchtlinge aus Saudi-Arabien in Quedlinburg: Geflohen um weiterzukämpfen

Quedlinburg - Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit - diese Rechte sind in Deutschland im Grundgesetz verankert und auf internationaler Ebene in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ festgehalten. In einigen Ländern, wie Saudi-Arabien, sind Menschen, die ihre Freiheiten wahrnehmen, sich dafür engagieren oder diese verbreiten wollen, dennoch von Verfolgung bedroht. Taha Alhajji und Adel Alsaeed kommen aus dem Königreich im Nahen Osten. Sie haben sich dort für Menschenrechte und gegen die Diskriminierung der schiitischen Minderheit eingesetzt. In diesem Frühjahr haben sie sich entschlossen, in Deutschland Asyl zu beantragen.
Alsaeed lebt seit Februar in der Außenstelle der Zentralen Anlaufstelle für Flüchtlinge (Zast) in Quedlinburg; Alhajji ist einen Monat später angekommen. „Wir wissen das alles zu schätzen, was hier für uns gemacht wird“, sagen sie einstimmig. Wie eine Familie lebe man in der Unterkunft. Alsaeed und Alhajji stammen aus der gleichen Region in Saudi-Arabien, der Provinz asch-Scharqiyya (deutsch: östliche Provinz). „Durch unsere Arbeit bei Menschenrechtsorganisationen kannten wir uns schon, bevor wir nach Quedlinburg gekommen sind“, erzählt Alhajji.
Der 35-Jährige engagierte sich beim „Adala Center for Human Rights“ (deutsch: Gerechtigkeitszentrum für Menschenrechte), das 2011 gegründet wurde und seitdem um eine offizielle Anerkennung der zuständigen Behörde in Saudi-Arabien kämpft - bislang vergeblich.
Das Zentrum arbeitet unter anderem daran, die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien zu dokumentieren und gibt Kurse, um Männer und Frauen über die Menschenrechte aufzuklären. Ziel ist es, Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit öffentlich bekannt zu machen. „In Deutschland wäre das keine große Sache, aber in Saudi-Arabien ist es das“, so Alhajji. Das Land stecke, was Menschenrechte angeht, noch in den Kinderschuhen.
Adel Alsaeed begann sich während des Arabischen Frühlings 2011 für Menschenrechte einzusetzen. Er schrieb für Blogs und nutzte die sozialen Netzwerke, vor allem Twitter, um über die Lage in Saudi-Arabien zu informieren. Daneben ist der 32-Jährige Mitglied der „European Saudi Organisation for Human Rights“, die ebenfalls für eine Stärkung der Menschenrechte in dem Königreich kämpft.
Die Arbeit ist mit Gefahren verbunden, dessen sind sich die Männer bewusst. „Das Thema ist es wert“, so Alhajji, auch wenn der Einsatz dafür zur Flucht aus der Heimat geführt hat. Alsaeed und Alhajji hatten langjährige Haft- oder sogar die Todesstrafe zu befürchten, wie sie in Saudi-Arabien bereits vielfach für Aktivisten verhängt wurden.
Ende des vergangenen Jahres sollen laut Amnesty International mehr als ein Dutzend Menschenrechtsverteidiger inhaftiert gewesen sein, verurteilt zu Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren. Unter ihnen sind auch Freunde von Alsaeed und Alhajji.
Verurteilt werden Menschenrechtler häufig auf Grundlage eines seit 2014 bestehenden, sogenannten Anti-Terror-Gesetzes. Laut diesem zählen zu Terrorismus auch Aktionen, die die Grundsätze der islamischen Religion infrage stellen, den Ruf des Staates beschädigen oder die öffentliche Ordnung gefährden können.
Einige der Aktivisten hat Taha Alhajji vor Gericht verteidigt. Der 35-Jährige hat in Saudi Arabien als Anwalt gearbeitet und auch den schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr vertreten, der sich gegen die Unterdrückung der religiösen Minderheit eingesetzt hatte und im Januar hingerichtet wurde. Insbesondere dadurch habe ihm eine lange Haft gedroht, so Alhajji. „Mindestens 15 Jahre“, vermutet er.
Bevor es dazu kommen konnte, ist er geflohen. Dabei habe er überlegt: Was ist der beste Ort, um die Arbeit fortzusetzen? Denn eines stellt er klar: „Wir sind hierhergekommen, um weiterzuarbeiten.“ Schließlich hat Alhajji sich für Deutschland entschieden. Der Saudi sagt: „Es ist eines der sichersten Länder.“
Zurzeit warten beide Männer auf die Entscheidung, ob ihnen Asyl gewährt wird oder nicht. Das Warten ist lang; es lässt Zeit, darüber nachzudenken, was sie für die Flucht zurückgelassen haben. „Ich habe meine Freunde, Familie und Arbeit in Saudi-Arabien verloren“, sagt Taha Alhajji. „Aber wenn du nicht selbst für deine Rechte kämpfst, wer wird es dann tun?“
Dass die beiden eines Tages zurück nach Saudi-Arabien gehen wollen, ist für sie klar. Wann das sein wird? „Wenn die Situation anders ist und es für uns sicher ist“, sagt Alsaeed. An ihrem großen Ziel halten sie, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, fest: „Wir werden nicht aufhören, uns für die Menschenrechte einzusetzen“, sagt er. „Entweder von Deutschland aus oder wieder in Saudi-Arabien.“ (mz)