Fleischerei Bestehorn Fleischerei Bestehorn: 105-jährige Tradition in Reinstedt endet

Reinstedt - iDen Ausklang, sagt Frank Bestehorn, hatte er sich so nicht vorgestellt: Einer großen Nachfrage erfreute sich seine Fleischerei in Reinstedt eigentlich immer. Doch seit Tagen standen die Menschen nun Schlange, um hier noch einmal einzukaufen. Darunter waren viele, viele Stammkunden, wie beispielsweise Horst Fleischer, der schon 1945 als Kind in das Geschäft am Tie geschickt wurde und bis jetzt jede Woche hierherkam. Und so stand Fleischermeister Frank Bestehorn buchstäblich bis zur letzten Minute in seiner Wurstküche und sorgte für Nachschub an Kotelett, Gehacktem und Co.
Sein Unternehmen, das er gemeinsam mit seiner Frau 37 Jahre lang führte, jetzt aufzugeben, „das fiel uns schwer. Aber ein Handwerksbetrieb ist eine schwere und harte Arbeit, bei der man körperlich fit sein muss“, so der 64-Jährige. Als sich am Sonnabendmittag um 12 Uhr die Tür des Ladens schloss, endete damit auch die mehr als 100-jährige Tradition eines Unternehmens, das über vier Generationen immer in Familienhand war.
Betrieb 1978 übernommen
Nach 37 Jahren, in denen Ute und Frank Bestehorn die 1910 in Reinstedt gegründete Fleischerei geführt haben, schlossen sie am Sonnabend, 28. Februar, ihr Geschäft. Mit einer eigens gestalteten Karte bedanken sie sich bei Kunden, bei ihren langjährigen und bei allen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die bis zu 25 Jahre in dem Unternehmen beschäftigt waren, bei ihren Kindern und der gesamten Familie sowie den Handwerkerkollegen. (pek)
Die Bestehorns gehören zu den schon sehr lange in Reinstedt ansässigen Familien, die auf dem 1792 errichteten Bestehorn-Hof im Unterdorf auch eine Fleischerei betrieb. 1910 kaufte Frank Bestehorns Urgroßvater das Haus im Tie und baute sich hier eine eigene Fleischerei auf, die er später an seinen Sohn übergab. „Ich bin hier einfach reingewachsen“, sagt Frank Bestehorn, der schon als Kind immer mit im Unternehmen des Großvaters war und dann schließlich bei seinem Vater von 1967 bis 1969 den Beruf eines Fleischers erlernte.
Am 1. Mai 1978 übernahm Frank Bestehorn das Familienunternehmen, und seine Frau Ute, bis dahin Schulsekretärin, stieg als Verkäuferin mit in die Fleischerei ein. Die mehr als 20 Jahre, in denen sie ihr Geschäft zu DDR-Zeiten führten, nennt der 64-Jährige die schwierigste Zeit. „Alles wurde zugeteilt, es gab ein Spritkontingent, ein Fleischkontingent. Das bedeutete in der Regel, dass Freitagmittag im Laden nichts mehr war außer Fliesen. Und wenn man versucht hat, irgendetwas Neues zu machen, hatte man sofort den Staatsapparat richtig am Hals.“
Mit der Wende nutzte die Familie sofort die neuen Möglichkeiten: „Wir haben einen komplett neuen Laden gebaut und eine völlig neue Wurstküche mit vielen neuen Maschinen und Geräten“, so der Fleischermeister. Die Erzeugnisse waren zuvor schon alle selbst hergestellt worden; weil aber die Rohstoffe fehlten, war das Sortiment sehr klein. Das änderte sich mit der Wende. Zuletzt wurden Fleisch, Wurstwaren und Salate in 100 verschiedenen Sorten produziert.
Darunter waren Produkte nach traditionellen, übernommenen Rezepten, wie beispielsweise Bratwurst oder Kochsalami. „Dieses Rezept haben wir die letzten 50 Jahre nicht geändert. Das darf man auch nicht. Wenn etwas läuft, dann läuft es“, so der Fleischermeister. „Die Leute kommen von sonst wo her, um dieses Spezielle essen zu können.“ So zählen zu den Kunden der Fleischerei nicht nur Reinstedter, Ermslebener, Hoymer, Ballenstedter oder Froser, sondern auch Berliner, Brandenburger, Bayern und sogar Schweden.
Hinzugekommen sind im Laufe der Jahre aber auch neue Produkte, die bald zum festen Angebot zählten. „Das Ausprobieren, das hat mir Spaß gemacht“, sagt Frank Bestehorn, der dafür gern mit Kräutern gearbeitet hat. Neue Produkte brauchten natürlich auch einen Namen, erinnert sich der Fleischermeister mit einem Schmunzeln daran, wie ihm eine seiner Enkeltöchter bei der Arbeit zuschaute. Frank Bestehorn war gerade dabei, im Kutter - „das Herzstück der Wurstküche, wo man Fleisch ganz fein zerkleinern kann“ - eine grobe Salami herzustellen. Die Enkelin schlug vor, dieser den Namen „Falkensteiner“ zu geben. „Seitdem haben wir eine ,Falkensteiner Salami’ im Angebot.“
Während Frank Bestehorns Bereich die Wurstküche ist, in der oft schon morgens ab halb drei das vom Schlachthof Halberstadt kommende Fleisch zerlegt und eingeteilt, Rohwurst, Kochwust, Pasteten und Salate hergestellt werden, kümmert sich seine Frau - gemeinsam mit der langjährigen Mitarbeiterin Simone Gille und unterstützt durch die Töchter - um den Verkauf.
Keiner habe die Fleischerei so geprägt wie seine Frau, sagt Frank Bestehorn. „Wir haben immer gute, kompetente Verkäuferinnen gehabt. Das ist das A und O. Und meine Frau ist einfach eine gute Seele.“
Ihr fällt das Aufhören noch schwerer als ihrem Mann, bekennt Ute Bestehorn. „Wir haben so viele nette Kunden und das macht so viel Spaß“, sagt sie. „Wir hatten auch schwere Zeiten, aber wenn die Leute dankbar waren, dann hat uns das wieder Mut gegeben und aufgebaut“, sagt die 63-Jährige und bedauert sehr: „Es tut mir leid, für die Kunden nicht mehr da zu sein.“
Zeit für Erkunden der Region
Eine Nachfolge für die Fleischerei hat sich nicht ergeben. „Wir haben zwei Töchter, sie sind beide verheiratet, und die Schwiegersöhne machen ganz was anderes“, sagt Frank Bestehorn. Nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben wollen er und seine Frau zunächst einmal „wieder fit werden“. Geplant ist auch, am Haus Veränderungen vorzunehmen, das Geschäft zurückzubauen. „Wir wollen ja hier wohnen bleiben.“ Künftig werden die beiden auch mehr Zeit für die Familie, ihren Garten oder für das Fotografieren haben.
„Und dann wollen wir alles das machen, was wir bisher nicht konnten“, nennt Frank Bestehorn beispielsweise, sich ausgiebig in der Region umzusehen. (mz)
