1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Felsenkeller in Bad Suderode: Felsenkeller in Bad Suderode: Ausflugsgaststätte seit 1870

Felsenkeller in Bad Suderode Felsenkeller in Bad Suderode: Ausflugsgaststätte seit 1870

Von Detlef Anders 05.12.2016, 11:51
Das Jagdzimmer ist einer der beliebtesten Räume im Felsenkeller. Hier wurde früher ausgiebig Skat gespielt.
Das Jagdzimmer ist einer der beliebtesten Räume im Felsenkeller. Hier wurde früher ausgiebig Skat gespielt. Chris Wohlfeld

Bad Suderode - Eine moderne Kunststofftür in einem kleinen Windfang. Eigentlich unscheinbar. Dahinter ein Tresen aus den Neunzigern, links ein Jägerzimmer mit rustikalem, großem Spiegel, einem Hirschkopf und anderen Geweihen. Und rechts hinten ein größerer Gastraum, in dem das Fragment eines Kirschbaumes steht, an dem einst Kunststoff-Kastanienblätter befestigt waren.

An einer Wand hängt ein Klavier verkehrt herum. Alte Bücher sind in den Regalen zu finden, alte Gemälde und Bilder aus der Region wie aus Quedlinburg und dem Kyffhäuser an den Wänden, sogar eine ganze Bilderserie zum Dreißigjährigen Krieg. Im Grunde genommen eine Gaststätte, wie es sie viele zu geben scheint. Und doch ist der Felsenkeller im Kalten Tal bei Bad Suderode etwas ganz Besonderes. Das Waldrestaurant ist eine der letzten alten Ausflugsgaststätten, wie es sie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu Dutzenden rings um Quedlinburg gab.

Die Altenburg, Bad Dippenworth, das Steinholzrestaurant, die Brühlgaststätte und viele andere sind verschwunden, Ruinen geworden oder Privatgrundstücke. Nur der Felsenkeller ist wie eh und je eine Ausflugsgaststätte geblieben.

Am 22. Mai 1870 wurde „beim Salzquell bei Bad Suderode“ die Waldgaststätte unter dem Gesang des Suderöder Gesangvereins eingeweiht, berichtete damals das „Gemeinnützige Wochenblatt für Quedlinburg und Umgebung“. 51 Jahre zuvor war dort die Salzquelle des Behringer Brunnens von einer Jagdgesellschaft, die dort rastete, wiederentdeckt worden. Als die Gemeinde 1869 die 1827 an den Herzog Alexius von Anhalt-Bernburg verkaufte Quelle nebst umliegendem Wald für ein Vielfaches zurückerwarb, entwickelte sich das Dorf Suderode zu einem der bedeutendsten deutschen Kurorte.

Friedrich Vollmer baute das Restaurant auf dem Gemeindegrund neben der Quelle. Neben dem Quell für die Kranken konnte somit auch das Bier fließen. Morgens und nachmittags gab es Konzerte. Auf dem Vorplatz soll es einen Spielplatz gegeben haben, auf der Felsenkellerwiese konnten Crocket und Tennis gespielt werden. 1929, als Bad Suderode 100 Jahre Badeort feierte, warb der Wirt in der Festschrift mit 1 000 Sitzplätzen und täglichen Gartenkonzerten. Bei den dreitägigen Schützenfesten wurden mit einem Tanzzelt zusammen sogar 2.000 Plätze angeboten. An den Wochenenden brauchte die Pächterfamilie Severin, die das Haus von 1920 bis 1946 bewirtschaftete, sechs bis acht Aushilfskellner. Auch zu DDR-Zeiten war der Felsenkeller gut besucht. Statt der Schützenfeste gab es Sportfeste am neu gebauten Sportplatz Felsenkeller. Auch der Suderöder Faschingsclub wurde hier gegründet.

Doch nach der Wende wurde die Gaststätte von der Gemeinde 1990 geschlossen und schließlich verpachtet und saniert. Am 1. Mai 1993 wurde die Waldgaststätte wieder geöffnet. Vieles von dem urigen Inventar wie Spielzeug, Puppen, alten Flaschen oder eine Waage und Requisiten aus den 20er bis 50er Jahren an Deckennischen und Wänden ist aber längst wieder verschwunden. Nur das Klavier an der Wand ist geblieben.

Beliebt ist der Felsenkeller besonders im Sommer. Die Kinder können auf dem Spielplatz mit großer Rutsche und Seilbahn spielen, die Größeren auf dem Minigolfplatz, um den sich der SV Blau-Weiß kümmert. Unter den alten Bäumen sitzt es sich gut. Sonntags gibt es im Sommer mediterrane Grillabende. Und als Besonderheit vielleicht auch einen Schwatz mit einem gut aufgelegten Kellner, von dem auf der Facebook-Seite mehrere Besucher schwärmen: „Ich hab schon lange nicht mehr solch gut gelauntes Personal erlebt. Nebenbei, es hat sehr lecker geschmeckt. Und Lars ist der Kracher.“

Waren es früher oft Wanderer, die hier einkehrten, so sind es heute die Radler. „Manchmal reichen die Stellplätze nicht“, freut sich der der Gastwirt über die neue Technologie der E-Bikes, durch die sich noch viel mehr Radler als früher in das Kalte Tal wagen.

Als vor 20 Jahren das Kurzentrum gebaut wurde, legte die Gemeinde den „Kurpark Süd“ bis hinter den Felsenkeller an. Zwar passierte an der Gaststätte selbst nichts, doch sie wurde durch die Sanierung der 1896 gebauten Musikmuschel, den Neubau für den Sportverein, den als Lesesaal ursprünglich konzipierten Anbau, den Spielplatz und die Streuobstwiese, die Minigolfanlage und das Biotop nebst Parkplatz deutlich aufgewertet. (mz)

Eingang der Ausflugsgaststätte Felsenkeller in Bad Suderode
Eingang der Ausflugsgaststätte Felsenkeller in Bad Suderode
Wohlfeld
Diese Heimorgel hat der Wirt verkehrt herum an die Wand gehängt. Sie ist heute ein Teil eines Bücherregals.
Diese Heimorgel hat der Wirt verkehrt herum an die Wand gehängt. Sie ist heute ein Teil eines Bücherregals.
Wohlfeld