1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Elektrische Antrieb für Geläut in Wedderstedt: Elektrische Antrieb für Geläut in Wedderstedt: Strom für 300-jährige Glocke

Elektrische Antrieb für Geläut in Wedderstedt Elektrische Antrieb für Geläut in Wedderstedt: Strom für 300-jährige Glocke

Von Andreas Bürkner 30.12.2014, 14:02
Frank Blumrich und René Sieber (re.) bauen den Linearantrieb ein.
Frank Blumrich und René Sieber (re.) bauen den Linearantrieb ein. Wohlfeld Lizenz

Wedderstedt - Wenn am Silvesternachmittag die Glocke der Wedderstedter Dorfkirche zum Gottesdienst ruft, dann wird sie nicht mehr mit der Hand, sondern mit moderner Technik geläutet. „Endlich hat die alte Glocke einen elektrischen Antrieb“, freut sich Gudrun Schlegel, die Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde.

Höhepunkt der Sanierung

Die Elektrifizierung ist der vorläufige Höhepunkt der seit 2008 laufenden Sanierungsarbeiten am Kirchturm, dem allerdings ein richtiges Gotteshaus fehlt.

„Zwar hat bereits seit 2012 im Turm eine Stromleitung gelegen, doch die Glocke musste auch weiterhin per Hand bewegt werden“, ergänzt Karin Raulf als Vorsitzende des Vereins „Freundeskreis Wedderstedter Glocke“, der seit 2005 Spenden für den Erhalt der einzigen noch verbliebenen Glocke von einstmals drei sammelt. „Es ist aber das wertvollste Exemplar, sie stammt aus dem Jahr 1699“, erklärt Raulf. Die anderen wären während der Kriege eingeschmolzen worden.

Älteste noch erhaltene Turmuhrenfabrik Deutschlands

Als erste Sanierungsaufgabe wurde 2008 der Klöppel ausgetauscht, „weil er viel zu hart war“, wie Raulf noch weiß. Ein Glockensachverständiger, der auch die Umstellung von Hand auf Elektrobetrieb betreut, forderte jedoch eine erneute Änderung. „Sie ist nun wieder der historischen Form von früher nachempfunden worden“, beschreibt Frank Blumrich das neue Stück. Der Mann arbeitet wie Kollege René Sieber für eine Leipziger Spezialfirma, welche die Umstellung auf den Linear-Antrieb vornahm. Die Bernhard Zachariä GmbH in der Messestadt besteht seit dem Jahr 1808 und ist die älteste noch erhaltene Turmuhrenfabrik in Deutschland.

Neben den Turmuhren hat sie sich heute vor allem auf elektrische Läutewerke spezialisiert. „Wir nutzen die derzeit modernste Technik“, sagt Blumrich, „sie arbeitet sehr präzise und sogar kontaktlos.“ Um das Joch in die leichtgängigen Kugellager setzen zu können, musste es zuvor aufbereitet werden. „Dafür reicht aber künftig ein kleiner Impuls der Fernbedienung, um die Glocke in Schwingung zu versetzen“, beschreibt der Fachmann die Besonderheit der modernen Anlage. „Die Reichweite des Senders beträgt immerhin einen Kilometer“, ergänzt Gudrun Schlegel, „was uns vieles erleichtert.“ Einen ersten Test gab es bereits zur Weihnachtsandacht. Auch Dieter Lütjens aus Hedersleben interessierte sich für die neue Anlage. Er musste unbedingt den Umbau auf dem Turm im Nachbarort beobachten und sich von den Experten die neuen Möglichkeiten erklären lassen. „Früher habe ich selbst die Glockenspiele und Uhren der umliegenden Gemeinden gewartet und instand gehalten“, begründet er seine Neugier.

Fachsimpeln über frühere und heutige Technik

Sie wurde zusätzlich dadurch geweckt, dass die beiden Leipziger Monteure während der Arbeiten an der Wedderstedter Glocke bei ihm übernachteten. In abendlichen Gesprächen wurde über frühere und heutige Technik gefachsimpelt.

Gekostet habe die Umstellung rund 7 000 Euro, antwortet Schlegel auf Nachfrage. „Neben einem Zuschuss der Sparkassenstiftung Quedlinburg und den Sammlungen des Freundeskreises haben wir auch auf Rücklagen der Kirchengemeinde zugegriffen, um den Aufwand zu stemmen“, zählt sie auf. Hinzu komme aber noch eine Rechnung der Elektrofirma Witte aus Hausneindorf, die sich um die Stromanschlüsse gekümmert hatte, die immerhin 400 Volt leisten müssen. Zunächst wird die Glocke zu Gottesdiensten, Beerdigungen und besonderen Gelegenheiten schlagen. Ob sie künftig zu weiteren Anlässen, wie zum Feierabend, erklingt, ist nicht geklärt. „Darüber werden wir nochmals beraten“, kündigt Schlegel an. Dafür weiß sie aber, dass die Wedderstedter ihre Glocke zu Silvester kurz vor 15 Uhr und noch zu späterer Stunde hören werden. Schlegel: „Auch um Mitternacht wird sie im Turm erschallen.“ (mz)

Das kaputte Uhrwerk hat ausgedient.
Das kaputte Uhrwerk hat ausgedient.
Wohlfeld Lizenz