Fußball Askania Ballenstedt „Die Diagnose MS schmeißt einen in ein tiefes Loch“
Der ehemalige Kicker Enrico Steinemann ist an Multipler Sklerose erkrankt. Nun hofft er auf eine Therapie. Was ihm helfen könnte und warum er dafür Spenden braucht.
Ballenstedt - Karrieren von Sportlern können von heute auf morgen schlagartig vorbei sein. Ob auf der Bühne Bundesliga wie einst Olaf Bodden beim TSV 1860 München oder auf Kreisebene beim FSV Askania Ballenstedt. Enrico Steinemann musste nach 30 Jahren Fußball gesundheitsbedingt die Schuhe an den Nagel hängen. Bei Bodden war es das Pfeiffersche Drüsenfieber, bei Steinemann Multiple Sklerose.
„Angefangen habe ich mit sechs Jahren in der Jugend als Feldspieler bei Askania Ballenstedt. Ich habe mich so gut gemausert, dass ich dann im Tor stand, bis ich 21 Jahre alt war“, erinnert sich der heute 44-Jährige an 1983. Erst eine Verletzung am Daumen sorgte für den Positionswechsel vom Tor zurück ins Feld. „Das größte Highlight in meiner Spielerkarriere war der erste Einsatz in der Männermannschaft mit 17 Jahren im Pokalhalbfinale mit Ballenstedt gegen Hettstedt auf dem Jahnsportplatz. Wir waren krasser Außenseiter und haben mit 1:0 gewonnen“, strahlt Steinemann noch heute. 1994 war das.
Anderthalb Jahre habe ich gebraucht, um die Krankheit zu akzeptieren“
Eine Berufung in die Kreisauswahl folgte im Jahr 2004. Dort werden Vereinstrainer angefragt, welche Spieler sie abstellen könnten. Steinemann war dabei und durfte gegen den damaligen Oberligisten Halberstadt auflaufen.
30 Jahre Fußball für Schwarz- Gelb im Vorharz waren im Jahr 2013 schlagartig vorbei. Die neurologischen Fachärzte in Wernigerode diagnostizierten bei dem Opperöder die Krankheit Multiple Sklerose. Somit war an Fußball spielen und den Verein begleiten, nicht mehr zu denken. „Die Diagnose MS schmeißt einen in ein tiefes Loch. Solange es einen nicht betrifft, beschäftigt man sich nicht damit. Anderthalb Jahre habe ich gebraucht, um die Krankheit zu akzeptieren“, sagt der 44-Jährige.
Jeder Tag sei nach der Diagnose ein neuer Tag ins Ungewisse. Trotz Krankheit nimmt Steinemann sein Schicksal an und kämpft sich durch. „Ich bin berufstätig bei einer Logistikfirma und arbeite acht Stunden am Tag. Das Stehen ist Gift für meinen Körper. Die Symptome sind entscheidend. Ich hatte schon Lähmungen von den Füßen bis zum Oberkörper. Der sogenannte Schub sorgt dafür, dass man nicht laufen kann. Dann muss man den Tag ruhig und möglichst stressfrei verbringen“, erklärt Steinemann.
Drei Jahre krank zu Hause
In den vergangenen vier Jahren, war der ehemalige Fußballer drei Jahre lang krank zu Hause. Mithilfe einer Cortison-Schub-Therapie in einer Spezialklinik in Halle (Saale) wird aktuell versucht, die Symptome und Schübe zu minimieren. Physiotherapie und Sprachtherapie werden in den Alltag integriert. „Es ist schwer, den Menschen in meinem Umfeld zu erklären, wie es einem geht und was mit einem passiert. Ich versuche, die Leute in meinem Umfeld mit ins Boot zu holen. Einige Freunde interessieren sich für die Krankheit und belesen sich, wie Claudia Hecke. Andere wiederum verstehen meine Krankheit nicht. Muss man erst im Rollstuhl sitzen, um auf seine Situation aufmerksam zu machen?“, fragt der einstige Askane.
Steinemann setzt sich Ziele, denn die machen ihn stark. Fahrrad fahren und raus an die frische Luft gehen, gehören zum Beispiel dazu. Er will die Krankheit nicht gewähren lassen. Und aus diesem Grund hat der frühere Torwart und Feldspieler der Schwarz-Gelben ein ganz großes Ziel: eine Stammzellentherapie. Diese soll das kranke Immunsystem zerstören.
Hierbei werden Stammzellen des Erkrankten entnommen, bearbeitet und eingefroren. Und später wieder eingesetzt. Ohne kranke Zellen. Seit gut acht Jahren wird diese Methode auf der Welt angewandt: Russland, Kanada, USA, Mexiko und Italien. Und an einem Ort in Deutschland: Heidelberg. Das Problem ist, dass eine Stammzellentherapie sehr kostspielig ist. Die einmalige Behandlung, die sich über mehrere Wochen hinzieht, kostet zwischen 35.000 und 130.000 Euro. Die Erfolgsquote der Therapie liege bei 98 Prozent, um im Nachhinein wieder ein normales Leben führen zu können. Nur übernehmen die Kassen die Kosten dafür nicht.
MS hat sehr viele Gesichter
MS habe viele Gesichter, und schon über 200.000 Menschen seien daran erkrankt. Enrico Steinemann ist einer von ihnen. Die Stammzellentherapie will er unbedingt, nur die Frage ist, zu welchem Zeitpunkt. Die Zeit läuft ihm davon. Je länger die Krankheit, die im Jahr 2016 diagnostiziert wurde, fortschreitet, umso schwieriger ist es, an einer solchen Therapie teilzunehmen. Aus Steinemanns Sicht könne das Gesundheitssystem in Deutschland ruhig etwas mutiger sein und sich für die einmaligen Behandlungskosten einsetzen. Aber darauf kann der Opperöder nicht warten.
Er nimmt sein Schicksal selbst in die Hand. Immer weitermachen und nicht aufgeben, heißt es für ihn. So kontaktierte er schon Größen aus Sport und Wirtschaft, machte auf seine Lage aufmerksam. Allerdings noch ohne Erfolg. Und so hofft Enrico Steinemann auch auf Hilfen aus der Region.
Interessierte, die mehr erfahren und helfen wollen, finden Infos unter https://gofund.me/e1ca39b7 (mz/Thomas Baake)