Die Burgstraße im Rücken
GERNRODE/MZ. - Andrea Gall schuf sich hier nicht nur "den schönsten Arbeitsplatz der Welt ", wie es im Gästebuch des Café "Froschkönig" heißt. Nein, sie erweckte ein Haus, das einst als Wohn- und Amtssitz für den Gernröder Bürgermeister gebaut wurde, zu neuem Leben.
Das Haus wird in diesem Sommer 100 Jahre alt. Dieses Jubiläum möchte Andrea Gall, die die einstigen Wohnräume mit viel Liebe zum Café umgestaltet und dieses mit Hingabe im Jugendstil eingerichtet hat, nicht ganz sang- und klanglos vergehen lassen. Zur Information für die Gäste möchte sie eine Chronik erarbeiten und im Café auslegen. Außerdem soll eine Non-Stop-Bilder-Show mit historischen Fotos an eine der Wände geworfen werden. Andrea Gall hat Vorher-Nachher-Bilder gezielt gesammelt und schon eine beachtliche Auswahl zusammen. Was noch fehlt, ist eine Außenaufnahme der Burgstraße 1.
So sehr sie auch nachgeforscht hat bisher, ein Foto des Hauses von außen scheint es nicht zu geben. Vielleicht haben immer alle mit dem Rücken zum Haus Burgstraße 1 gestanden, um die Kirche zu fotografieren, vermuten Freunde der Familie.
Als Andrea Gall und ihr Lebenspartner das Haus 1998 gekauft hatten, war es in desolatem Zustand. "Im Prinzip sind wir auf eine Baustelle gezogen", erinnert sich die Harzgeröderin, die die Liebe nach Gernrode verschlagen hatte, an viele Rückschläge während der Bauphase. Damals war es nur darum gegangen, ein kuschliges Zuhause für die junge, dreiköpfige Familie zu schaffen, was an sich schon eine Mammutaufgabe gewesen sei.
Doch als der letzte Mieter ausgezogen war, stand die Frage, was mit den Räumen im Erdgeschoss geschehen sollte. 2002 reiften die Pläne, hier ein Café einzurichten. Pläne, die damals von vielen belächelt wurden. Aus Wohnräumen macht man keine Geschäftsräume, hieß es immer wieder. Doch die studierte Betriebswirtschaftlerin setzte ihren Kopf durch, krempelte die Ärmel auf und begann Stück für Stück, ihre Ideen umzusetzen.
Und so wurden Wände herausgebrochen, Toiletten eingebaut, Grundrisse verändert, alles saniert. Die Inneneinrichtung sollte wie aus einem Guss daherkommen: Dafür stöberte sie auf Flohmärkten, wurde fündig und beizte unterschiedliche Möbel in der gleichen dunklen Farbe. Sie machte sich Gedanken um jedes Detail bis hin zur Höhe des Holzpaneels und zur Jugendstiltapete. "Ich war relativ unerschrocken und habe oft umdisponiert", erinnert sie sich an diverse Schwierigkeiten, die ihre Pläne dennoch nie ins Wanken brachten. "Wenn man jeden Zipfel selber renoviert hat, dann hängt man an jeder Ecke", sagt sie heute.
Dabei weiß sie, dass ein schönes Ambiente zwar wichtig, aber nicht alles ist. Deshalb kommt ihr "kein Fremder in die Küche". Sie möchte, dass der grundsätzlich selbst gebackene Kuchen immer gleich schmeckt und bindet sich deshalb stets allein die Küchenschürze um. Die Liebe zur Küchenarbeit und einen reichen Fundus an Rezepten hinterließ ihr die Oma, die sie schon als Kind in allen Töpfen habe rühren lassen.
Nun hofft sie auf die Gernröder oder auf Gäste aus der Umgebung: dass sie in Kisten und Kästen kramen und vielleicht doch noch eine historische Außenaufnahme ans Licht holen. Auf dass die Chronik vollständig werde.
Wer nachweislich das älteste Foto beisteuern kann, den erwartet eine kleine Überraschung, verspricht Andrea Gall.