Der Spießrutenlauf eines Quedlinburgers Der Spießrutenlauf eines Quedlinburgers: Jobcenter will sich den Arbeitslohn krallen

Quedlinburg - Der Quedlinburger Marcel Könnecke liegt mit der Kommunalen Beschäftigungsagentur Jobcenter Harz (Koba) über Kreuz, wie man landläufig sagt. Denn der Hartz-IV-Empfänger hat von der Behörde die Mitteilung erhalten, dass sie den von seinem ehemaligen Arbeitgeber noch ausstehenden Lohn in Höhe von 1.800 Euro für sich beansprucht.
Koba meldet begründete Ansprüche an
Die Koba begründet ihren Anspruch damit, dass sie dem 35-Jährigen seit Februar dieses Jahres Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, also Arbeitslosengeld II (ALG II), zahlt.
„Das, was die Koba da macht, geht gar nicht, das ist doch rechtswidrig“, schimpft der junge Mann im Gespräch mit der MZ. „Ich brauche das ausstehende Geld, um meine Schulden zurückzuzahlen.“
Die ganze Geschichte von vorn
Was war geschehen? 2009 erlitt Marcel Könnecke einen schweren Schlaganfall. Danach konnte er in seinem Beruf als Hochbaufacharbeiter nicht mehr arbeiten. „Lange musste ich um eine Umschulung kämpfen“, berichtet er.
Schließlich bot sich ihm die Chance, sich zum Mediengestalter ausbilden zu lassen. Im September 2015 bekam er in einem Grafikstudio im Landkreis Harz , in dem er schon ein Praktikum absolviert hatte, eine Festeinstellung. Doch da seien die Probleme losgegangen, erzählt der junge Mann.
Lohn habe er nur noch sporadisch und auf Nachfrage bekommen. Immer wieder sei er hingehalten worden. „Das ging ein ganzes Jahr so“, wie er sagt. Es sei eine harte Zeit gewesen – ohne regelmäßiges Einkommen. Könnecke konnte Miete, Strom und Versicherungen nicht mehr pünktlich bezahlen.
Eltern und Großmutter sind eingesprungen
Erst halfen seine Eltern aus, schließlich sprang seine Großmutter in die Bresche. Von ihrem Sterbegeld-Ersparten gab sie ihm von Oktober 2015 bis August 2016 1.800 Euro. Und Könnecke versicherte ihr, alles zurückzuzahlen, sobald er den ausstehenden Lohn hat. Der Berg war mittlerweile auf 2.200 Euro angewachsen.
Könnecke zog die Notbremse und kündigte. Zuvor hatten Mitarbeiter bei der Koba, die er um Rat fragte, empfohlen, mit einer Kündigung zu drohen und die Zahlung vor Gericht einzuklagen.
Er befolgte den Rat. Durch seine Kündigung verhängt die Arbeitsagentur allerdings eine dreimonatige Leistungssperre. Wieder stand er ohne Einkommen da.
Firma kündigte Ratenzahlung an
Kurz vor dem Arbeitsgerichtstermin, erinnert er sich, habe der Firmenchef über seinen Anwalt erklären lassen, dass er den ausstehenden Lohn in Raten bezahlen wolle. Es wurde eine Rate von 400 Euro überwiesen. Dann stockten weitere Zahlungen.
Könneckes Anwältin hatte inzwischen die Kontenpfändung gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber eingeleitet. Es wurden daraufhin weitere 500 Euro überwiesen. Auf ihren Rat hin wurde auch zwischen Großmutter und Enkel eine Abtretungserklärung abgeschlossen, damit die Rückzahlraten des Ex-Arbeitgebers ohne Umwege direkt auf dem Konto der Oma landen.
Doch von der wollte die Koba - Könnecke war nun Kunde - nichts wissen. Mehr noch: Er sollte sogar der Behörte sogar die von seinem früheren Arbeitgeber bereits überwiesenen 500 Euro abtreten.
„Sobald Sie Leistungen von uns bekommen, treten Sie sämtliche Einnahmen automatisch an uns ab“, habe er als Antwort von der Behörde zu hören bekommen. Auch sein einstiger Arbeitgeber wurde von der Koba über ihre Forderung in Höhe von 1.800 Euro unterrichtet.
Bei der Koba auf taube Ohren gestoßen
Könnecke war machtlos. Bei der Koba stieß er auf taube Ohren. Da half auch nicht der Hinweis, dass er Schulden habe, die er zurückzahlen wolle. Als er seiner Großmutter davon berichtete, sei sie in Tränen ausgebrochen. Sie habe schließlich gespart, um niemandem auf der Tasche liegen zu müssen.
Marcel Könnecke sah keinen anderen Ausweg, als sich in der verfahrenden Situation an die Öffentlichkeit zu wenden.
Koba gibt Fehler zu und entschuldigt sich
Die MZ hakte in der Sache bei der Koba nach. Und die räumte nun ein, einen Fehler gemacht zu haben. „Herr Könnecke hat zu Recht den bei seinem alten Arbeitgeber geltend gemachten Erstattungsanspruch durch die Koba moniert“, heißt es in einer Erklärung.
Da für den Zeitraum des geschuldeten Arbeitslohnes gar keine SGB-II-Leistungen für Könnecke gewährt und beantragt worden seien, habe die Koba auch keinen Anspruch darauf. „Für diesen Fehler möchte ich mich entschuldigen“, erklärte Koba-Chefin Claudia Langer. Der Fall sei intern ausgewertet worden.
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Der Grundfreibetrag wird in Höhe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin oder Partner festgesetzt. Mindestens beträgt er 3 100 Euro. Gibt es minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft erhält jedes Kind ebenfalls einen Grundfreibetrag in Höhe von 3 100 Euro.
Neben den Grundfreibeträgen ist auch die Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge im bestimmten Umfang geschützt. Weitere Freibeträge betreffen Ansprüche aus einer Altersvorsorge, die vor dem Eintritt in den Ruhestand geschützt sind. Das sind höchstens 750 Euro pro Lebensjahr der leistungsberechtigten Person und deren Partner.
(mz)