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Brief-Affäre in Wernigerode Brief-Affäre in Wernigerode: Sabine Wetzel kündigt Anzeige gegen Peter Gaffert an

Von winfried borchert 09.06.2015, 18:17
Peter Gaffert.
Peter Gaffert. archiv/kugenbuch Lizenz

Wernigerode - In der Briefaffäre im Wernigeröder Rathaus läuft alles auf eine Strafanzeige gegen Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) hinaus. Nach einer Krisensitzung des Hauptausschusses am Dienstagabend sagte die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Sabine Wetzel, Gaffert habe die rechtswidrige Öffnung eines an sie gerichteten Briefes und die Weiterverbreitung des Inhaltes noch immer nicht plausibel darstellen können.

Widersprechende Erklärungen zum Fall

Zugleich dürfe aber die durch die Affäre seit Wochen belastete Arbeit von Stadtrat und Verwaltung nicht weiter erschwert werden. Die Verwaltung habe zahlreiche sich widersprechende Erklärungen zum Fall abgegeben. Der Stadtrat sei an der Grenze seiner Aufklärungsmöglichkeiten angelangt. „Deshalb ist es an der Zeit, das Thema aus dem Stadtrat auszulagern und den Stellen zu übergeben, die im Rechtsstaat für die Wahrheitsfindung und rechtliche Bewertung zuständig sind.“ Es sei im Interesse des gesamten Stadtrates, den Fall „zur abschließenden rechtlichen Bewertung an die Staatsanwaltschaft zu übertragen“, sagte Wetzel. Eine formale Zustimmung der dreiköpfigen Stadtratsfraktion aus Bündnis 90/Grüne und Piraten zu diesem Schritt gilt als sicher. Fraktionskollege Dennis Mau (Piraten) sprach sich anschließend ebenfalls für eine Strafanzeige aus.

Oberbürgermeister Gaffert nahm Wetzels Erklärung mit versteinerter Miene entgegen. Der Verwaltungschef hatte zuvor wortreich versucht, die Öffnung des Briefes als „einmaliges Versehen“ einer Mitarbeiterin des Stadtratsbüros darzustellen. Zugleich bat er die anwesenden Stadträte um Entschuldigung dafür, den Inhalt des Briefes an die Fraktionsvorsitzenden weitergegeben zu haben, noch bevor die Adressatin Wetzel ihn in den Händen hielt. Auch die „unterschiedlichen, vielleicht irreführenden Darstellungen“ seiner Verwaltung seien in der Affäre nicht gut gewesen, räumte Gaffert ein.

In dem Brief, der offenbar einen gefälschten Absender hatte, war die Vergangenheit des Oberbürgermeisters als Angehöriger einer militärischen Einheit der DDR-Staatssicherheit thematisiert worden. Gaffert gestand daraufhin in einem Gespräch mit der MZ ein, während seines dreijährigen Wehrdienstes als Unteroffizier einer Stasi-Einheit unter anderem die Bezirksverwaltung der Staatssicherheit in Halle bewacht zu haben. Zuvor hatte er dies öffentlich verschwiegen. Zugleich hatte er vor seiner Wiederwahl am 12. April auf eine Anfrage der MZ schriftlich gelogen, er sei Angehöriger eines Nachrichtenregimentes gewesen.

Wie gelang das Schreiben auf den Tisch des Oberbürgermeisters?

In der Affäre um den im Rathaus eingegangenen und an Wetzel gerichteten Brief hatte die Verwaltungsspitze die Öffnung zunächst als übliche, „gewachsene Verwaltungspraxis“ gerechtfertigt. Später hieß es, man habe ihn bewusst geöffnet, um etwaige Terminprobleme zu vermeiden. Nach der neuesten Verwaltungsversion war das Ganze ein Versehen. Bis heute ist unklar, wie das Schreiben auf den Tisch des Oberbürgermeisters gelangte, der kurz darauf den vermeintlichen Absender anrief und zur Rede stellte. Der bestritt eine Urheberschaft.

Das Gesetz unterscheidet zwischen der Öffnung des Briefes als Verletzung des Postgeheimnisses und der Weitergabe des Inhaltes als Verletzung des Briefgeheimnisses. Beide Vergehen können mit Haft bestraft werden. (mz)