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Aufpoliert Aufpoliert: Alte Möbel bekommen wieder Leben eingehaucht

Von Petra Korn 22.05.2018, 12:27
Handwerk live auf dem Kunsthandwerkermarkt: Hans-Jürgen Wolter erneuert die Sitzfläche eines Jugendstil-Stuhles.
Handwerk live auf dem Kunsthandwerkermarkt: Hans-Jürgen Wolter erneuert die Sitzfläche eines Jugendstil-Stuhles. Jürgen Meusel

Quedlinburg - Der Stuhl aus der Jugendstil-Zeit ist fast wieder ein Schmuckstück. Das dunkle Buchenholz, aus dem Beine und Rückenlehne teils kunstvoll gedrechselt sind, glänzt.

Doch dem Stück aus der Zeit um 1910, 1920 fehlt noch eine Sitzfläche. „Sie war kaputt und wurde herausgenommen“, sagt Hans-Jürgen Wolter.

Der 62-Jährige, der in Ballenstedt aufgewachsen ist und hier bis 2008 zu Hause war, ist dabei, mit „Fäden“ aus der Außenhaut der Rattanpalme eine neue Sitzfläche herzustellen.

Auf dem Marktplatz in Quedlinburg können Besucher ihm dabei zuschauen. Denn die Familie Wolter - die Söhne Jens und Ralf betreiben ein Atelier für Flechtwerkgestaltung, in dem auch Vater Hans-Jürgen mitarbeitet - gehört zu den Kunsthandwerkern, die hier am Sonntag und Montag beim Kunsthandwerkermarkt ihre Stände aufgebaut haben.

Aufpoliert: Nach der Wende alte Möbel restauriert

Zuvor als Bauingenieur tätig, hatte sich Hans-Jürgen Wolter gemeinsam mit Sohn Jens nach der Wende selbstständig gemacht, Haushaltsauflösungen durchgeführt und ein Geschäft eröffnet.

Oft bekamen sie so alte Möbel in die Hände, die einfach zu schade zum Wegwerfen waren. „Da haben wir angefangen, diese zu restaurieren“, sagt der 62-Jährige.

Das Handwerkszeug dafür hätten er und Sohn Jens sich selbst angeeignet. „Den zweiten Sohn haben wir dann zur Lehre geschickt“, sagt Hans-Jürgen Wolter mit einem Schmunzeln.

Ralf Wolter erlernte den Beruf eines Korbmachers - in Lichtenfels in Oberfranken, „in der einzigen Korbmacherschule, die es noch gibt“, so der Senior.

Aufpoliert: Niederlassung in Molmerswende eingerichtet

Da wohnte die Familie schon in Gebersreuth, einem Ortsteil von Gefell in Thüringen, wohin die Wolters 2008 gezogen waren. „Meine Frau stammt aus der Region“, sagt Hans-Jürgen Wolter.

In Gebersreuth befindet sich auch die Werkstatt. Seit dem Frühjahr ist die Familie aber auch wieder im Harz: Jens und Ralf Wolter haben eine Niederlassung in Molmerswende eröffnet.

In dem Familienbetrieb werden Möbel wie Schränke, Tische oder Kommoden aufgearbeitet oder neu gebaut - oder eben Flechtwerke neu angefertigt.

Aufpoliert: Löcher geben Flechtwerk vor

Auf den Kunsthandwerkermärkten „zeigen wir das Handwerk und versuchen, darüber Aufträge zu bekommen“.

So ist auch der Stuhl, an dem Hans-Jürgen Wolter auf dem Quedlinburger Marktplatz arbeitet, ein Auftragswerk.

Wie zu flechten sei, richte sich nach den Vorgaben der Löcher im Holzrahmen der Sitzfläche, erklärt er.

In rund 90 Prozent sei durch die damaligen Möbelbauer ein sogenanntes Wiener Geflecht, ein Acht-Eck-Geflecht eingebunden worden.

Ein bis zwei Tage dauere es, eine neue Sitzfläche einzubauen, eine Arbeit, für die man „ein bisschen Geschick und gute Feinmotorik“ brauche.

Wie viele Meter Rattanpalmen-Fäden dabei gebraucht werden, kann Hans-Jürgen Wolter nicht sagen. „Das habe ich auch noch nie nachgemessen“, sagt der 62-Jährige, dem es viel Spaß macht, „diese alten Sachen neu zu beleben, so dass sie auch erhalten bleiben“. (mz)