Archäologie in Quedlinburg Archäologie in Quedlinburg: Entdeckung im Finkenhaus

Quedlinburg/MZ - Die beiden Häuser Finkenherd 1 und 2 werden derzeit saniert. Dort will der Verein qArtus unter anderem ein kleines Museum zu Filmen, die in Quedlinburg gedreht wurden, einrichten. Kurz nach Beginn der Arbeiten wurde jetzt im Finkenherd 2 eine nicht alltägliche Entdeckung gemacht. „Archäologie findet nicht nur im Boden statt, auch in luftigen Höhen werden wir zuweilen fündig“, freut sich Kreisarchäologe Oliver Schlegel, Chef der Unteren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis, und berichtet: „Ich war durch Zufall dort. Dabei wurden gerade Dielen im oberen Stockwerk aufgenommen. Darunter kamen nicht etwa Kiesel oder Sand zum Vorschein, sondern Lederreste und Werkzeuge sowie weitere Zeitzeugnisse.“
„Natürlich sind wir sofort aktiv geworden, haben um etwas Zeit gebeten, um die Funde zu sichten und zu bergen“, betont der Archäologe. Das war nicht so einfach, denn der Dachstuhl und die anderen Hölzer sind zu DDR-Zeiten mit gesundheitsgefährdendem DDT behandelt worden. „Das hält zwar Holzschädlinge wie Anobien ab. Die fallen tot ab, wenn sie mit solchem Holz in Berührung kommen. Aber auch für Menschen ist es immer noch gefährlich, obwohl die Behandlung mit dem Mittel bestimmt 30 Jahre her ist“, erklärt er. Es musste also unter Vollschutz, weißer Schutzanzug und Atemmaske, gearbeitet werden. „Hannes Focke, unser Nachwuchs im Freiwilligen Jahr in der Archäologie, konnte sich da beweisen“, setzt der Archäologe hinzu.
Die Ausbeute hat die Anstrengungen gelohnt. In einem Karton befinden sich, einzeln in Folientüten verpackt, nicht nur Lederreste, sondern auch ein sehr gut erhaltener Kinderschuh und ein Topf, an dem noch Leimreste zu finden sind. Oliver Schlegel kann aber auch den Schaft einer Ahle, eines typischen Schusterwerkzeugs, vorweisen. Alles das wurde bei einer Reparatur des Fußbodens vor etwa 150 Jahren statt Sand in den Zwischenraum zwischen den Fuß- und den Deckenbohlen eingelagert. „Die Lederreste mussten weg, und so ging es am Schnellsten. Und es erfüllte noch einen sinnvollen Zweck, die Schwingungen der Fußböden zu verringern“, sagt der Archäologe.
Das Material ist zwischen 1852 und 1878 in den Zwischenraum unter die Dielen gelangt. Diesen Zeitrahmen kann Oliver Schlegel nennen, denn in diesem Zeitraum gehört das kleine Haus dem Schuhmacher Andreas Wurzler. „Wir konnten uns dabei auf das Häuserverzeichnis von Karlheinz Wauer stützen, der für die Quedlinburger Häuser ein Eigentümerverzeichnis erarbeitet hat“, nennt der Kreisarchäologe die Grundlage für seine Informationen.
Weitere Angaben fehlen. Zum Beispiel ist nicht bekannt, wie viele Personen damals im Finkenherd 2 lebten. Es muss aber alles sehr eng gewesen sein, denn die Zimmer sind sehr klein. Die Höhe in der oberen Etage misst nur um 1,70 Meter. „Die Zimmer wurden damals bewusst nicht so hoch gebaut, um Heizkosten zu sparen. Außerdem waren die Menschen im Durchschnitt deutlich kleiner als heute“, erläutert Oliver Schlegel.
Ein gefundenes Zeitdokument schränkt den Zeitrahmen noch etwas weiter ein. Eine Seite des Quedlinburger Anzeigenblatts stammt laut Aufdruck vom März 1858. Also muss der Fußboden nach diesem Zeitpunkt aufgenommen und erneuert worden sein. Zudem wurden Brieffragmente entdeckt. Besonders freut sich der Archäologe über eine Art Mumifizierung des Leders. Durch die Einlagerung unter den Fußboden sei keine Feuchtigkeit darangelangt. So konnte sich der Kinderschuh recht gut erhalten.
Die Funde werden nun gesäubert und anschließend wird beim Landesamt für Archäologie angefragt, ob sie Wert darauf legen. „Ich gehe nicht davon aus“, bekennt Oliver Schlegel und setzt hinzu: „Dann geben wir sie dem Museum der Stadt.“
