Arbeitsmarkt im Harz Arbeitsmarkt im Harz: Ausländische Fachkräfte als ein Mosaikstein
Quedlinburg/Halberstadt - Die Zahlen, die Heike Schittko, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Halberstadt, nennt, sprechen für sich: Bis zum Jahr 2028 wird die Bevölkerungszahl im Landkreis Harz im Vergleich zu 2008 um 20 Prozent abnehmen. Der Bevölkerungsanteil der über 50-Jährigen lag 2012 bereits bei 50,2 Prozent - Tendenz steigend. Seit 2007 ist die Zahl der Schüler, die die Schulen im Kreis verlassen, von 3 500 auf 1 500 gesunken. Und bereits im kommenden Jahr wird es mehr aus Altersgründen aus den Betrieben ausscheidende Arbeitnehmer geben als Schüler, die theoretisch nachfolgen könnten. Vor diesem Hintergrund hat die Agentur für Arbeit das Thema ausländischer Fachkräfte in den Fokus gerückt und Unternehmen der Region über Möglichkeiten informiert.
So waren in diesem Jahr rund 25 junge Frauen und Männer überwiegend aus Portugal und Bulgarien zu zweimonatigen Praktika in der Region; aktuell sind 17 in eine Ausbildung aufgenommen, sagt Heike Schittko. Sie unterstreicht ebenso: „Ausländische Fachkräfte sind nicht das Allheilmittel, sie sind einfach ein Mosaikstein. Das kann immer nur eine Ergänzung zu dem sein, was wir hier machen können.“
Um Fachkräfte zu gewinnen, müssten auch andere Potentiale genutzt werden. Die Vorsitzende der Geschäftsführung nennt hier zum Beispiel die 22 000 Auspendler, die im Landkreis Harz wohnen, aber außerhalb des Kreises arbeiten, und die hier lebenden Jugendlichen, die oft zu wenig über Berufsinhalte und Ausbildungsmöglichkeiten im Landkreis wüssten. Dennoch: „Wir werden nicht jede Stelle besetzen können. Zum einen, weil die Zahl der Jugendlichen nicht da ist und auch nicht genügend Jugendliche diesen Beruf ergreifen wollen. Und zum anderen, weil die Jugendlichen nicht die Voraussetzungen mitbringen.“
Hotel- und Gaststättenbereich besonders betroffen
Besonders betroffen sind hier der Hotel- und Gaststättenbereich oder der des Lebensmittelfachverkäufers. „Jedem Jugendlichen, der sich für den Beruf des Lebensmittelfachverkäufers interessiert, können wir zwölf Stellen anbieten“, macht Heike Schittko deutlich. Probleme gibt es aber auch im Metall- und Elektrobereich. Hier, wie auch im Hotel- und Gaststättenbereich, gibt es im Landkreis bereits ausländische Auszubildende.
Die Vorsitzende der Geschäftsführung möchte zugleich für dieses Thema sensibilisieren: Zuwanderung sei eine Möglichkeit, das Potenzial an Fachkräften zu vergrößern. Zuwanderer würden zur Wertschöpfung beitragen, Beiträge zu Renten- und Sozialversicherung und als Arbeitnehmer auch Steuern zahlen, würden hier einkaufen. Ausländische Fachkräfte würden dazu beitragen, dass Betriebe ihre Produktion halten könnten, indem sie Engpässe schließen. „Sie sollen uns helfen“, fasst Heike Schittko zusammen. Sie plädiert daher auch dafür, dass in der Region noch mehr getan wird. „Einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu besetzen, das reicht nicht“, verweist sie auf die notwendige Unterstützung bei der Eingewöhnung.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Sachsen-Anhalt hat die Idee, ausländische Auszubildende nach Sachsen-Anhalt zu holen, von Anfang an begleitet. Präsident Frank Doepelheuer sieht darin ein Projekt, das beiden Seiten Nutzen bringt: Zum einen erhalten junge Menschen aus Ländern wie beispielsweise Spanien oder Griechenland, wo die Jugendarbeitslosigkeit über 50 Prozent beträgt, die Möglichkeit, eine Ausbildung in dem deutschen dualen System - Berufsschule und Praxisbetrieb - zu absolvieren. Sie seien dann hochqualifizierte Fachkräfte, die überall in Europa arbeiten könnten - und ihr Wissen auch in ihren Heimatländern weitergeben könnten. „Wir hoffen natürlich, dass sie in Deutschland bleiben.“ Zum anderen helfen die Auszubildenden den Unternehmen in der Region, Lücken im Personalbereich zu schließen.
In den Hotels in Ilsenburg, deren Geschäftsführer Frank Doepelheuer ist, haben in den vergangenen Jahren fünf junge Menschen, unter anderem aus Ungarn, Litauen und Spanien, Ausbildungen zu Restaurantfachleuten oder Köchen begonnen. „Unsere Erfahrung ist, dass sie alle ein recht hohes Bildungsniveau, eine sehr hohe Motivation und eine gute Einstellung haben“, sagt Doepelheuer. Allerdings sei gerade die Integration in ländlichen Strukturen schwierig; die jungen Leute ziehe es eher in die Großstädte. So haben auch vier der Azubis Ilsenburg verlassen und setzen ihre Ausbildung in größeren Städten fort. (pek)
Die Agentur für Arbeit will dafür gemeinsam mit den Wirtschaftsjunioren am 13. Oktober eine Veranstaltung organisieren, auf der Kontakte geknüpft werden können: „Wir laden alle ausländischen Azubis mit ihren Betreuern und Chefs ein und wollen Angebote wie Patenschaften unterbreiten.“ Versucht werden soll, auch die Hochschule Harz, an der es ebenfalls ausländische Studenten gibt, einzubinden. So würden die jungen Leute, die in verschiedenen Orten des Kreises lernen, arbeiten und leben, sich kennenlernen können und „einfach voneinander wissen“. Schön wäre es auch, wenn es im Landkreis eine Anlaufstelle gäbe, wo sich alle informieren könnten. „Wir alle in der Region müssen gemeinsam daran arbeiten.“ (mz)