Advent am Schlossberg Adventskalender am Schlossberg Quedlinburg: 24 Schlossberg-Anwohner gestalten Märchen für Kinder

Quedlinburg - Mit Kreide auf der Zunge und einer weißen Pfote ausgestattet, versucht der Wolf offensichtlich gerade, sich Einlass bei den sieben Geißlein zu verschaffen. Jörg Finck sieht dieses Foto mit einem Schmunzeln:
„Es erinnert mich daran, dass ich mich schon über mehrere Jahre in ein Kostüm zwänge, anfangs als Großvater und in Kleidung, später in ein Wolfskostüm, was man nicht jedes Jahr macht, und am Ende sogar in ein Eselkostüm.“
Und das für eine einzige Aufführung an einem einzigen Tag in der Vorweihnachtszeit: Das Haus am Fuß des Quedlinburger Schlossberges, das Jörg Finck und seine Familie seit 2008 bewohnen, ist eines der 24 Häuser, die beim lebendigen Adventskalender ihre Türen öffnen. „Wir waren uns von Anfang einig: Hier werden Märchen gespielt.“
Lebendiger Adventskalender war eine Idee von Hans-Jürgen Furcht vom Verein „q-Artus“
Der lebendige Adventskalender sei die Idee von Hans-Jürgen Furcht, Vorsitzender des Vereins „q-Artus“, gewesen, berichtet Jörg Finck. Immer um 16.30 Uhr treffen sich die Kinder am Finkenherd, um gemeinsam zum Adventskalender-Haus zu gehen, wo Geschichten und Märchen, gestaltet durch Bewohner oder Künstler, sowie Süßes auf sie warten.
Nachdem sich der Verein „q-Artus“, der den Kalender elf Jahre lang organisierte, zurückzog, übernahm eine Bürgerinitiative unter der Schirmherrschaft der Bürgerstiftung Quedlinburg die Fortsetzung. Und so geht es noch immer an jedem Tag vom 1. bis 24. Dezember - geführt vom jeweiligen, einen großen roten Mantel tragenden Schlossberg-Bewohner oder selbst suchend - zum Adventskalender-Haus, das durch beleuchtete, durch die Oskar-Kämmer-Schule gefertigte Zahlen gekennzeichnet ist.
„Das Rübchen“, „Schneewittchen“, „Hase und Igel“ oder „Rapunzel“ standen schon auf dem Programm
So ist es auch bei „Jörg Finck und Freunde“, wie die Adventstürchen-Öffner sich nennen. „Das Rübchen“, „Schneewittchen“, „Hase und Igel“ oder „Rapunzel“ - „mit einem wunderbaren dicken Zopf aus gelber Wäscheleine“ - standen bei ihnen schon auf dem Programm.
Indem er sich am Adventskalender beteiligt, möchte Jörg Finck auch etwas zurückgeben an die Stadt. „Quedlinburg hat so viel an Lebensqualität hinzugewonnen“, sagt der 54-Jährige, der sich auch bei der Pflege des Weinbergs auf dem Schlossberg engagiert, mit den Fußball-Uhus beim „Advent in den Höfen“ im Einsatz ist und sich im Vorstand der Bürgerstiftung engagiert.
Das Besondere am lebendigen Adventskalender ist für ihn, dass „es Spaß macht, die Kinder zu sehen, wenn sie begeistert sind. Es macht ihnen Freude, und wenn man sie begleitet, macht es auch einem selbst Freude.“ Ausgewählt werden die Märchen, die „Jörg Finck und Freunde“ auf dem Hof aufführen, in Abstimmung mit den anderen Adventskalender-Gestaltern.
Auch zahlreiche Kinder spielen mit bei den Märchen des Adventskalenders
„Und danach, dass möglichst viele mitspielen können“, sagt Jörg Finck, der beruflich Anästhesist mit eigener Praxis ist. Bei den Märchenspielen sind die Kinder der Mitarbeiter seiner Praxis ebenso mit dabei wie die Kinder der Mitarbeiter der Praxis von Dr. Katrin Bönicke, in der Finck und sein Team regelmäßig im Einsatz sind. Gespielt werden die Märchen so, wie die Kinder sie kennen; und es gibt auch immer eine Märchenerzählerin.
2015 stand dabei „Der Wolf und die sieben Geißlein“ auf dem Programm. Ein Wolfskostüm zu finden, sei schon nicht ganz einfach, eins für 1,96 Meter Größe doppelt schwer, erinnert sich Jörg Finck mit einem Schmunzeln. „Die meisten Tierkostüme sind heutzutage als Ganzkörperkostüme gefertigt. Das hätte nie geklappt.“
Einmal mehr half Christa Bohnebeck, die beim Kinder- und Jugendtheater Thale für den Kostümfundus verantwortlich ist, weiter: mit einem Mehrteiler, bestehend aus Wolfshose, überzustülpenden Wolfsschuhen, extra anzuziehenden Wolfshänden, einem Kopf und einem Wolfsmantel, unter den sich dann auch die großen, grau angemalten Wackersteine aus Schaumstoff gut stecken ließen, wie Jörg Finck lachend berichtet. „Wenn man eine solche Rolle spielt, dann muss man auch Spaß daran haben.“
Christa Bohnebeck vom Kinder- und Jugendtheater Thale schneiderte das Wolfs-Kostüm
Er freut sich nicht nur immer wieder, wenn die Kinder schon nach wenigen Worten der Märchenerzählerin erkennen, welche Geschichte diesmal gezeigt wird. Er findet es auch beeindruckend, wie sich Mädchen und Jungen auf den lebendigen Adventskalender vorbereitet haben: „Es gibt Kinder, die stellen sich hin und sagen so lange Gedichte auf, wo man merkt, sie haben sich auf diesen Tag genauso lange vorbereitet wie ich.“ Apropos vorbereitet: Das ist auch ein Märchenspiel für dieses Jahr; welches, wird hier noch nicht verraten. (mz)