Adlige als Magd völlig überfordert
QUEDLINBURG/MZ. - Der Regisseur, der mit seiner Sicht auf "Zar und Zimmermann" in der vorigen Spielzeit das Publikum so wunderbar verunsicherte, sendet keine Botschaft, die über das hinaus will, was das Libretto zu "Martha" vorschreibt. Und wie die omnipräsente schweigende Königin heißt, ist nicht wirklich wichtig. Hauptsache, sie (Barbara Gurski) trägt Krönchen, ist gütig und trägt zum Erfolg des Abends bei.
Der Regisseur, der erneut auch die herrlichen Biedermeier-Kostüme beisteuerte, wird gerade bei den konservativeren Zusehern punkten. Anna Strauß steht mit ihren stimmigen Kulissen, fein bemalt und praktisch faltbar, dem kostümbildnernden Inszenator nicht nach. Schade nur, dass trotzdem Umbaulängen zu verzeichnen waren, die aber glänzend-königlich überspielt wurden.
Horstkotte bekommt mit der Spieloper wunderbar die Kurve, bevor die Handlung in den Klamauk abzugleiten droht. Die scheint schnell erklärt. Lady Harriet Durham (Bettina Pierags) plagt bei Hofe die grüne Langeweile. Nebst ihrer Vertrauten Nancy (Gerlind Schröder) vermarktet sie sich inkognito auf dem Mägdemarkt von Richmond und landet an der landwirtschaftlichen Basis bei Pächter Plumkett (Gijs Nijkamp).
Pech nur, dass die beiden Damen vergessen haben, dass sie zur Hofarbeit angeheuert wurden. Da ist Schluss mit lustig, denn weder die wunderbar agierenden Schweine, noch den Bullen oder das Spinnrad kriegen die Neu-Mägde in den Griff. Wenigstens angehimmelt wird die verkleidete Ehrenjungfrau von Victoria I. durch einen Vertreter der Bauernschaft. Bloß sie erhört den lieben, Stricknadel klappernden Lyonel (Xiaotong Han) nicht, denn der ist ja augenscheinlich nur von bäuerlichem Stand.
Erst zwei Akte später schnallt sie, dass es sich um einen Vertreter des Hochadels handelt, dem Schlechtes widerfahren war. Da hatte Lyonel schon eine ziemlich schwere Zeit in der Zwangsjacke hinter sich.
Die farbenfrohe, mit leichter Hand geführte Inszenierung lebt von richtig guten "Singdarstellern", die der Produktion eine ganz besondere Anmut geben. Mit Bettina Pierags verfügt das Haus über eine Sopranistin, die Leichtigkeit in den Koloraturen offenbart, sich in leuchtende Höhen schwingt und den Opern-Hit von der "Letzten Rose" mit jener Innigkeit darbietet, die so recht nach dem Gusto Flotows ist. Dazu vermag sie darstellerisch den Bogen von der gelangweilten Junior-Adeligen Harriet zur völlig überforderten, doch liebenden Magd Martha zu schlagen.
Wie bereits in den "Lustigen Weibern von Windsor" als resolut-charmante Frau Reich steht Gerlind Schröder nun Bettina Pierags als präsente Nancy zur Seite. Ihr komödiantisches Talent spielt sie wieder voll aus, ihr Mezzo klingt tadellos. Besonders spürbar ist das in der Paarung mit dem satten Bass eines spielfreudigen Gijs Nijkamp als Plumkett, der das Porter-Bier preist.
Xiaotong Hans Stärke ist die Glaubhaftigkeit in seiner tiefen Verzweiflung, aber auch in seiner Hinwendung zu jener Edeldame, die ihn als nicht ebenbürtig betrachtet. "Was soll ich dazu sagen?", fragt er sprachlos, als die beiden Damen nicht ans ländliche Werk gehen. Und wer antwortet? Marlies Sturm, die als Souffleuse über die Bühne tippelt! Eine Freude wieder, Klaus Uwe Rein als Lord Tristan zu erleben; stimmgewaltig, komödiantisch-vertrottelt, ein Körper gewordener Seitenhieb auf die degenerierte Ritterschaft.
Ein dickes Lob geht an Chor-Chef Marbod Kaiser, dessen verstärktes Ensemble sängerisch wie darstellerisch überzeugend agiert. Martin Hannus obliegt die musikalische Leitung. Er ist stets bemüht, die akustische Balance so zu halten, dass das Blech nicht allzu stark dominierte.
Insgesamt eine sehens- wie hörenswerte Inszenierung, die verdient mit viel Beifall bedacht wurde.