Zur Person Zur Person: Dienstsitz im Rathaus, Zimmer 9

Freyburg - Man musste schon ganz genau hinhören, um zu verstehen, was gemeint war. Da wurden die Gäste zum „Knetschen“ aufgefordert, sie wurden „belawert“ und zur „Kärmse“ und zu „Appelst nach Balgscht, zu dem es immer ränt und der Scherm nicht heme bleim darf“, eingeladen. Zur Stärkung gab es „Wärschte“ und „Neckchen“. Den rund 160 Besuchern des ausverkauften Mundart-Abends im Freyburger Schützenhaus hat die Rezitations-Tour im örtlichen Dialekt bestens gefallen.
„So ein Tag, so wunderschön wie heute“ und „Nach Hause geh’n wir nicht“, sang der gesamte Saal nach dem bestens gelungenen Programm. Die Veranstaltung war vom Verein der Weinfreunde Saale-Unstrut organisiert worden. Der Abend, für dessen Vorbereitung und Ablauf vor allem Weinfreund Manfred Göx die Fäden fest in den Händen gehalten hatte, war dem Freyburger Heimatdichter Martin Pietzsch gewidmet. Unter den Gästen befanden sich auch die Tochter von Martin Pietzsch, Petra Siegmeier, sowie mit Thomas und Andreas Pietzsch zwei der drei Söhne. „Den Söhnen ist es zu verdanken, dass wir dieses Programm gestalten konnten. Sie haben uns die Chance gegeben und den dichterischen Nachlass zur Verfügung gestellt“, sagte Moderator Göx zur Eröffnung. Zahlreiche Gedichte und Geschichten hatte der Mundart-Autor Pietzsch in all den Jahren zu Papier gebracht. Diese wurden von den Söhnen aufbewahrt und von Andreas zu einem Buch zusammengefasst. Zwölf von 60 Arbeiten wählte Göx aus, die von ihm und Thomas Pietzsch, den Weinfreunden Harald Raschke, Günther Staupendahl sowie Wolfgang Wiegandt zum Besten gegeben wurden. Zwischen den Vorträgen sorgte das Duo „Strump und Latsch“ mit Evergreens und Stimmungsmusik für ein gut gelauntes Publikum.
Drei Stunden lang amüsierten sich die Zuschauer bestens. Sie erfreuten sich am Dialekt und am Humor der Texte. Während sie von Göx mit den Versen „Seine Arbeit“ etwas von der Tätigkeit des Heimatdichters als Standesbeamter im Rathaus erfuhren, wo er im Zimmer Neun saß, „aber weiter hinten, war der Eduard zu finden“.
Zu den Gedichten, die zwischen 1950 und 1960 geschrieben wurden, gab der Moderator eine kurze Einführung. Nicht jedes ist ein „Schenkelklopfer“, unter ihnen findet sich auch Nachdenkliches. Der Zeitgeist sei noch heute zu spüren. So beim „Is Herzogsdenkmal“, dem einstigen vergoldeten Reiterdenkmal auf dem Freyburger Marktplatz. „Viele Leite guckten sich den Ferschten an, bis der Herzoch 1948 vom Pferde gestürzt wurde“, rezitierte Staupendahl. Von Raschke war „Unser Wein“ zu hören, den es damals in geringen Mengen auf Zuteilung gab und „nur zum Winzerfeste jämse ma e bisschen her“.
„Das Winzerfest“ wurde auch von Thomas Pietzsch betrachtet - vor allem, wie es einer Dame vom Dorfe gelang, sich trotz weniger Weinbons ordentlich zu betrinken: Nach dem sauren Weißwein folgte eben der süße Mehrfruchtwein, ein Schlüpferstürmer. Von Göx erfuhren die Besucher die Geschichte „Ludwig der Springer und seine Adelheid“, in der es heißt: „Die Gräfin im Koppe nur die Liebelei, Ludwich brach sie das Genicke durch ihre Rumpoussiererei“.
Mit „Das Schwein“ wurde an die ehemals sieben bis acht Fleischer in der Stadt erinnert, die von Kochs Hof ihre Schweine holten und nach Hause trieben. Es folgten „Dr Jeist im Fasse“, der beim Weingenuss mächtig in den Kopf steigt, „Unsre Rostbratwärschte“, die es vor jedem Fleischerladen für „dreißch Pfennche zu kofen jab“, und die „Mestern dazu de Neckchen (Brötchen) offschnitt“, die „Wetterbetrachtung zum Balgschter Appelst“ sowie „Dr Sportfreind un seine Frau“. Freyburg, so hieß es, war einst eine Handball-Macht, aber zu Hause hatten die Handballer offenbar so manche Probleme.
Thomas Pietzsch trug sein Lieblingsgedicht „Dr Kärmesjang“ vor. Zu dem machte sich die Verwandtschaft auf, um sich richtig satt zu essen. Der Pietzsch-Sohn, der Tauben züchtet, bot zudem eine Dressureinlage mit weißen Tauben.
Zum Schluss fehlte nur noch ein Text, der bekannteste: „Dr Fädderweiße“. Wiegandt, der es schon bei vielen Weinfesten aus dem Stegreif aufgesagt hat, brillierte erneut in der Rolle und beendete den unterhaltsamen Vortragsreigen.