Naumburger Ärzte kritisieren Umgang mit nicht mehr benötigten Arzneien Wohin mit Pillen-Packung?
In einem Beitrag im Deutschen Ärzteblatt beschreiben sie die Problematik.
Naumburg - Wer kennt es nicht? Man hat zu Hause mehrere angefangene Tablettenschachteln, derren Pillen man irgendwann mal gebraucht hat, nur eben nicht so viele. Was aber damit tun? Das fragte sich auch die Mutter von Dr. Daniel Schwarz und war ganz empört, als ihr Sohn antwortete, man könne Glück haben, wenn Apotheker sie zurücknehmen, oder aber man wirft sie in den Restmüll. Der Zorn der Mutter begründete sich durch die chemischen Substanzen, die dann ja auf Deponien und irgendwann im Grundwasser landen.
Daniel Schwarz schöpfte Interesse und gewann auch seinen Kollegen Léo Leblanc, beide angehende Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie (Schwarz) sowie für Psychosomatik (Leblanc) am Naumburger SRH-Klinikum, für das Thema. Sie lasen sich daraufhin durch wissenschaftliche Analysen und Arbeitsberichte, vertieften sich in Fernseh-Dokumentationen zum Thema und konnten nun in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes dazu publizieren.
Noch immer großes Unwissen
Dort fordern die beiden Naumburger Ärzte ein Ökosiegel für Humanarzneimittel und einen bewussteren Umgang bei der Entsorgung von Alt-Arzneien oder nicht mehr benötigten Medikamenten. „Noch immer wissen zahlreiche Bürger - und bedauerlicherweise auch medizinisches Personal, wie wir empirisch in Erfahrung bringen konnten - zu wenig über langfristige Folgen und Belastungen für die Umwelt durch unsachgemäß entsorgte Medikamente“, so Schwarz gegenüber unserer Zeitung.
In den Wasseraufbereitungsanlagen mit drei Klärstufen können nicht alle Medikamentenrückstände beseitigt werden.
Mediziner Daniel Schwarz und Léo Leblanc in ihrem Beitrag
Jährlich würden so Hunderte Tonnen unsachgemäß in den Abwässern landen. Dabei ist die richtige Vorgehensweise nicht einmal bundesweit einheitlich geregelt, wie von Schwarz und Leblanc kritisiert wird. Wie unter arzneimittelentsorgung.de zu sehen ist, dürfen im Burgenlandkreis etwa Alt-Arzneimittel in den Restmüll. Nur rund 30 Kilometer weiter, in Querfurt, müssen Tabletten, Salben et cetera hingegen über Schadstoffmobile oder Recyclinghöfe entsorgt werden. „Auch der weit verbreitete Glaube, Apotheken seien gesetzlich verpflichtet, Medikamente zurückzunehmen, ist vollkommen unzutreffend“, so Schwarz. Dies geschehe auf freiwilliger Basis.
Einheitlichen Plan gefordert
Die beiden Naumburger Mediziner plädieren in ihrem Beitrag im Deutschen Ärzteblatt deshalb für eine bundeseinheitliche Entsorgungsstrategie über Schadstoffmobile, finanziell getragen unter anderem durch die Arzneimittelhersteller mit klaren Angaben zu den Entsorgungszeiten, dem Aufenthaltsort und der Erreichbarkeit des Mobils. Doch die Kritik von Schwarz und Leblanc geht noch weiter: „In den Wasseraufbereitungsanlagen mit drei Klärstufen können nicht alle Medikamentenrückstände beseitigt werden. Nur mit einer vierten Klärstufe, derzeit lediglich in wenigen Städten erfolgreich etabliert, werden die meisten Medikamente zum großen Teil beseitigt. Rückstände von Antibabypillen, Schmerzmitteln, Antidiabetika, Antibiotika, Psychopharmaka und Röntgenkontrastmitteln gelangen dennoch in unterschiedlichen Konzentrationen in die Flüsse und Seen.“
Aufgelistet werden anschließend die Risiken für Mensch und Tierreich. „Die Sensibilität für dieses Thema ist sowohl bei Medizinern als auch in der Bevölkerung zu gering. Deshalb wollen wir dranbleiben und weiterhin dazu aufklären“, so Daniel Schwarz. Was ihm vorschwebt: ein Ökosiegel für Arzneimittel, womöglich via App, wie bereits in Schweden im Einsatz. (Harald Boltze)