Gastronomie in Finne-Region Wirtsehepaar aus Thalwinkel nimmt Abschied auf Raten
Erzsébet und Horst Friedrich Sturm wollen altersbedingt kürzertreten: Landgasthaus und Pension werden in diesem Jahr deshalb im kleinen Rahmen betrieben.

Thalwinkel - Ende Januar wird im Landgasthaus und der Pension in Thalwinkel der normale Betrieb enden. Das gab das Wirtsehepaar Erzsébet und Horst Friedrich Sturm in diesen Tagen offiziell bekannt. Nach 44 Jahren endet für die beiden, inzwischen 76-jährigen damit eine Ära im Gast- und Beherbergungsgewerbe, das die beiden erfolgreich im Bad Bibraer Ortsteil aufgebaut und betrieben haben. Über mehr als vier Jahrzehnte hinweg haben sich Sturms in der Branche einen guten und anerkannten Namen erarbeitet, zählt ihre Gaststätte bis heute zu einer der beliebtesten Adressen mit überregionaler Bekanntheit.
Es hängt viel Herzblut daran
„Obwohl wir gesundheitlich noch fit sind und wir noch immer Freude an unserer Arbeit haben: Das Alter mahnt unmissverständlich kürzerzutreten“, sagt Horst Friedrich Sturm, dem man ebenso wie seiner aus Ungarn stammenden Frau ihr Alter nicht ansieht. Tatsächlich wollten sich Sturms zum 31. Januar aus dem Gastgewerbe zurückziehen, doch man merkt es beiden an: Es hängt so viel Herzblut an ihrem Landgasthaus, dass nun ein Abschied auf Raten geplant ist. Beim Gang zum Gewerbeamt zwecks Abmeldung eröffnete sich im dortigen Gespräch die Möglichkeit, auf geringfügiger Basis doch noch ein wenig weiterzumachen.
Erzsébet und Horst Friedrich Sturm überlegten nicht lange. Der „Abschied auf Raten“ ermöglicht ihnen, allmählich den Übergang in den nahen Ruhestand mit individueller Öffnungszeit beziehungsweise dem Angebot, weiter Gäste zu beherbergen und kleinere Familien- und Betriebsfeiern auszurichten, somit je nach Anfrage ihre Arbeit zu gestalten.
Weil sich auch innerhalb der Familie kein Nachfolger für das Thalwinkler Landgasthaus finden ließ, wollen Sturms das Grundstück verkaufen und würden es natürlich sehr gern sehen, wenn das Gasthaus und Pension - ausgestattet mit fünf Gästezimmern sowie mit angeschlossenen Saal, im gemütlichen Landhausstil eingerichteter Gast- und Weinstube, einem schönen Biergarten im Innenhof sowie der von beiden bewohnten Einliegerwohnung - Nachfolger übernehmen würden, die dieses Gewerbe weiter betreiben. In dem Fall würde das Ehepaar mit einem Umzug dem Neubesitzer Platz machen.
Eine schwierige Zeit
Horst Sturm bekennt, dass die vergangenen zwei Pandemie-Jahre für „das Überleben“ in ihrer Branche mehr als eine Herausforderung waren. Durch Speisen, die außer Haus geliefert wurden, sowie zwischenzeitlichen Normalbetrieb bei Erfüllung aller Hygienemaßnahmen haben sie auch dies durchgestanden. Rückblickend sagen beide, dass ihr Beruf fordernd, aber auch überaus erfüllend ist und war. Während Horst Friedrich Sturm Anfang der 1960er-Jahre im Naumburger Ratskeller seine Ausbildung zum Koch absolvierte, arbeitete seine spätere Frau Erzsébet, die in Ács (Donau-Region) zuhause war, zunächst in einem größeren Betrieb als Sekretärin.
In Oberhof kennengelernt
Doch ein Wechsel in die Branche „Interhotel“ am Balaton versprach besseren Verdienst, besonders in der Urlaubssaison. Im Winterhalbjahr konnte das ungarische Personal zeitweilig zur Wintersportsaison im „Interhotel“ in Oberhof arbeiten.

Horst Sturm arbeitete indessen dort, so dass sich beide 1976 kennenlernten und die Liebe ihres Lebens fanden. Im April 1978 übernahmen beide in Sturms Heimatort die Konsum-Gaststätte in Thalwinkel. „Das Haus war in einem ziemlich schlechten Zustand. Es war für uns Arbeit ohne Ende, um vom Dach bis zur Einrichtung im Bauernstube-Stil einen gastlichen Standard herzustellen“, erinnert sich der 76-jährige. Bald erlangte das Haus eine hohe Klassifizierung als Klubgaststätte im höheren Preissegment und wurde zu Beginn der 1980er- Jahre für Urlauber im Hotelführer ausgewiesen.
Das klassische Speisenangebot enthielt die Besonderheit deutsch-ungarische Küche. Renner wurden das Steak „Budapest“, Szegediner Gulasch und die Puzsta-Pfanne. Inmitten reizvoller Landschaft im Bibertal an Wanderwegen und unweit des bereits zu DDR-Zeit international gebuchten Campingplatzes in Bad Bibra liegend, avancierte das Landgasthaus Thalwinkel zum beliebten überregionalen Ausflugsziel. In- und ausländische Gäste, so aus der Slowakei, Schweden und Ungarn, schätzten neben der umfangreichen Speisekarte stets die warmherzige Gastlichkeit der Wirtsleute, die stets für ein nettes Gespräch zu haben waren und auch Empfehlungen für Sehenswürdigkeiten mit auf den Weg gaben. Für Bedienung und Service waren zeitweilig Helfer beschäftigt, ansonsten wurde fast alles durch eigenen Fleiß gestemmt.
1992 von Gemeinde gekauft
Im Juli 1992 kauften Sturms das Gasthaus von der Gemeinde, passten Ausstattung und Einrichtung den neuen Ansprüchen in der Gastronomie an. Die Gästezimmer erhielten jeweils eine Einbauzelle mit Dusche und WC. Der Biergarten - im Sommer mit riesigen Oleanderkübelpflanzen und Palmen, die stets im großen Saal überwintern - trägt zum fast mediterranem Flair bei und lädt oft Radwandertouristen und immer wieder Urlauber zum Verweilen ein. Bei Einheimischen waren die Tanzabende zur Kirmes im September stets beliebt. Und natürlich wurde der Saal oft für Familien- und Betriebsfeste gut gebucht. Mit dem Gastwirtspaar Sturm geht in Thalwinkel eine Tradition - und man kann sagen, eine beliebte Institution im Dorf - dem Ende entgegen. „Wir wären sehr glücklich, würde sich eine geeignete Nachfolge für das Haus finden“, sind sich beide einig. Sie wünschen sich außerdem Gesundheit und Zeit für Dinge, die bislang auf der Strecke bleiben mussten. Beide möchten nicht zuletzt ihren Gästen, darunter den zahlreichen Stammgästen, Freunden des Hauses, Geschäftspartnern, Helfern und Lieferanten für deren Treue, Zuverlässigkeit und Zuspruch danken.