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Wie der Enkel Käthe Kruse fotografierte

Von HANS-DIETER SPECK 10.07.2011, 18:02

BAD KÖSEN. - Um ein Haar, überrascht Fotograf Torsten Rehbinder die zahlreichen Besucher der Vernissage in der Bad Kösener Kunsthalle, hätte es diese Ausstellung mit seinen Bildern gar nicht gegeben. Im Alter von drei Jahren wäre er in der Saale bei Bad Kösen fast ertrunken, hätte ihn nicht ein Fährenfahrgast noch rechtzeitig aus dem Wasser gezogen. Rehbinder, 1939 als erster Enkelsohn von Käthe Kruse in Naumburg geboren und in Bad Kösen eingeschult, hat die Käthe Kruse in ihren Lebensjahren ab 1958 immer wieder fotografiert und dazu ihre Enkel und Urenkel. Gut 1 000 Fotografien sind so entstanden - ohne Auftrag und für das Familienalbum bestimmt. 53 sind in der gestern durch Bad Kösens Ortsbürgermeister Gerd Förster eröffneten Ausstellung des Stadtmuseums Naumburg in der Kunsthalle zu sehen.

Torsten Rehbinder, Berufsfotograf und in vielen Sparten des Metiers zu Hause, musste zu dieser Exposition erst überredet werden, denn es sind ja private Bilder, die er zeigt. Doch gestern stand dem eher stillen Mann die Freude ins Gesicht geschrieben, es dennoch gewagt zu haben: "Unbekannt und ungesehen haben diese Fotografien nur darauf gewartet, ans Licht zu kommen."

Am Rande der Vernissage kam es zu vielen Begegnungen mit alten Bad Kösenern, die Käthe Kruse noch gekannt hatten. Annemarie Gosewitz (88) hatte ihre Käthe-Kruse-Puppe Mathilde mitgebracht und dazu Fotos von damals. Brigitte Krause zeigte Fotoalben ihrer Mutter Charlotte Meng, die von 1938 bis 1941 bei Käthe Kruse gearbeitet hatte, und ein Wiedersehen gab es mit Marie-Anne Horalla, die 1945 Klassengefährtin von Torsten Rehbinder in der ersten Klasse in Bad Kösen war. Letztendlich ist auch die mitangereiste Lebensgefährtin des Fotografen, Helga Nienburg, eine "Bekanntschaft, die schon im Kindergarten begann". Angereist zur Vernissage war auch ein Urenkel von Käthe Kruse, Stefan Rehbinder (45): "Käthe Kruse ist für immer präsent." Als Kind ist er in der Ausstellung auf etlichen Fotos zu sehen, fotografiert von seinem Vater.

Rehbinders Fotos führen den Betrachter in eine zuvor noch nicht gesehene Welt der berühmten Puppenmacherin (1883-1968) und in jene Zeit, als sie in Murnau am Staffelsee lebte und arbeitet, nachdem sie Bad Kösen verlassen hatte, um der drohenden Enteignung ihres Betriebes zu entgehen. Obwohl privat fotografiert, tragen sie die Handschrift des Profis, der vor allem ein ausgezeichneter Porträtist ist. Das erhebt die Ausstellung ganz weit aus dem Rahmen dessen, was landläufig unter dem Begriff eines "Familienalbums" verstanden wird. Hier ist nicht nur ein Leben, hier ist auch Fotokunst zu besichtigen. Zugleich korrespondiert die Exposition ausgezeichnet mit der Käthe-Kruse-Puppenausstellung, die im Haus zu sehen ist.