Von Dorf zu Dorf Von Dorf zu Dorf: Das Weindorf

Familie Obenauer ist auf Heimatbesuch. Der Heimat von Frau Obenauer. Denn als Ulrike Witte kam sie 1983 in Freyburg zur Welt. Und spätestens am 1. Mai zum Weinfrühling kann man in den Ehraubergen auch die Weine des Weinhofes Witte kosten. Oder konnte man. Vorgestern. Aber künftig wird man auch zu anderen Zeiten wieder öfter bei Wittes Wein trinken können.
Ulrikes Eltern werden bald wieder mehr Zeit in Freyburg verbringen als derzeit, denn in den letzten Monaten waren sie oft in Flörsheim-Dalsheim bei den Obenauers. Die Enkel wollten betreut sein. Und da Obenauers sich mit dem Bau eines nagelneuen, fünf Meter in die Erde gebauten Kellers neben den 31 Hektar Rebfläche reichlich Arbeit aufgehalst hatten, waren die helfenden Hände der zweifachen Großeltern willkommen. Da die kleine Eva (2009 geboren) und der drei Jahre jüngere Max aus dem Gröbsten raus sind, werden die Wittes sich wieder intensiver um die gut 1000 Stöcke hinterm Haus kümmern. Zur Hälfte Weißburgunder und Dornfelder stehen dort. 2006 gab es den ersten Jahrgang der Witteschen Weine. Flaschen dieses Jahrgangs wird man in den Kellern der Region aber vergeblich suchen. Da der Weinhof sich damals noch gar nicht gegründet hatte, firmierten sie noch unter Hatzfelder Hof, dem Betrieb der Schwiegereltern.
Seit 2007 aber gibt es die dezent, aber gelungen etikettierten Abfüllungen. Wobei die Weine noch immer eine weite Reise unternehmen, um dort hineinzukommen. Gekeltert und ausgebaut werden die Weine - wie seit Beginn - hinterm Wohnhaus in einem Minikeller. Doch abgefüllt werden sie weiterhin in Rheinhessen. Geschadet hat diese Tour den Tropfen aber nicht. Immerhin haben sie schon mehrfach Preise bei Prämierungen abgeräumt.
Doch zurück zu Ulrike. Die hat ihren Beruf in der Winzervereinigung gelernt, hat auch bei Rotkäppchen mal reingeschnuppert, ehe es sie nach Franken zog. Dort holte sie sich im Bio-Weingut Stritzinger in Klingenberg den Feinschliff. Neben diesem eher kleinen, aber ambitionierten Betrieb durfte sie auch beim Branchen-Primus Paul Fürst in Bürgstadt lernen. Die Liebe schließlich führte sie nach Rheinhessen. Zu Johannes, dem gelernten Winzermeister, der in diesem Jahr zum vierten Mal nullt. Mittlerweile zweifache Mutter, ist Ulrike in Flörsheim-Dalsheim längst angekommen, was man auch am herrlichen Dialekt erkennen kann, den sie mittlerweile spricht. Und doch zieht es sie immer wieder nach Hause. „Wenn man die hiesigen Weinmeere Richtung Osten verlässt, ist es mittlerweile schon bei den Kleinen zu einem Spiel geworden, wer zuerst den Dicken Wilhelm entdeckt. Die herrlichen Terrassen hier, so was gibt es ja in Rheinhessen nicht, das ist schon immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis, das die Herzen berührt“. Und wenn sie derlei sagt, dann kriegt die Stimme schon eine etwas andere Färbung und man vermeint ein Glänzen in den Augen wahrzunehmen.
In Rheinhessen sind die Weinberge keine, eher sanfte Hügel mit Rebzeilen bis zum Horizont. Mancher Ort hat mehr Anbaufläche als ganz Saale-Unstrut. Und doch ist es dieses herrliche Gefühl des Geerdetwerdens, wenn sie ihre 1000 Stöcke zu Hause besucht. Das ist irgendwie wie der Lokführer, den es immer wieder in den Keller zu seiner Modellanlage zieht.
30 Rebsorten wachsen auf den Feldern des Hatzfelder Hofes. Exoten darunter wie Siegerrebe, Kanzler oder Herold- und Huxelrebe, Cabernet Sauvignon, Zinfandel oder Lagrein – die selbst im sortenreichen Saale-Unstrut-Gebiet nicht oder nur in Versuchszeilen gedeihen. Da ist Variabilität in der Arbeit Pflicht. Das hilft natürlich auch bei den heimischen Zeilen. Die Weine waren zwar schon in den ersten Jahren sehr ordentlich, doch haben sie sich inzwischen, wohl auch durch den ständigen Kenntnisgewinn im rheinhessischen Flörsheim-Dalsheim, nochmals deutlich gesteigert.
Eingerahmt vom Ausschank von Herbert Pawis und dem Ausschank von Familie Deckert ist der Weinhof Witte ein entdeckenswerter Tupfer, der auch am heutigen Sonnabend Gäste empfängt.