Diskussion Straßenbahn-Ringschluss in Naumburg: Rebellion der Räte
Stadt und „Ille“-Geschäftsführer plädieren für Lindenring.

Naumburg - Auch auf die Gefahr hin, besserwisserisch zu wirken. Aber am 9. Juli dieses Jahres berichtete unsere Zeitung über eine Naumburger Gemeinderatssitzung. Und da der Autor fast schon erbost darüber war, dass dort nicht über die drei Varianten des Straßenbahn-Ringschlusses diskutiert wurde, obwohl alle Experten im Raum saßen, schrieb er: „In diesem Herbst wird es wohl eine Beschlussvorlage von der Stadt geben. Hoffentlich wird dann nicht - wie schon mehrfach geschehen - eine zeitliche Druckkulisse aufgebaut à la Wir müssen uns jetzt entscheiden, sonst bekommen wir keine Fördermittel.“ Tja, und was soll man sagen ...
Vorlage zurückgezogen
Bei der jüngsten Haushaltsberatung unterrichtet die Stadtverwaltung die Räte, dass man sich im Rathaus einig geworden ist, dass man die Lage genauso sieht wie die Straßenbahn GmbH, dass die kleinste Ringschluss-Variante, die über den „Lindenring“, die beste und auch einzig finanzierbare ist - und dass man noch vor Weihnachten eine Beschlussvorlage einbringen wird. Schließlich laufe am 31. Dezember die Frist ab, um sich für die Strukturwandel-Fördermittel zu bewerben. Na hoppla! Erst ruht monatelang in puncto „Ille“ still der See, und nun soll’s schnell gehen.
Antragsfrist verlängert
Das sehen auch die Stadträte quer durch die Fraktionen so. „Das war mal wieder eine Friss-oder-stirb-Aktion, ohne dass wir vorher über die Varianten diskutiert haben“, ärgert sich CDU-Fraktionsvorsitzender Daniel Sturm. Und Linken-Chef Jan Thyen sieht das ähnlich: „Fraktionsübergreifend haben wir der Verwaltung klargemacht, dass wir erst eine offene Diskussion der Varianten und zwar mit einer Beteiligung der Bürger wollen.“ Die Stadt zog ihre Vorlage zurück, konnte aber zumindest auf übergeordneter Ebene eine verlängerte Fördermittel-Antragsfrist bis Ende März heraushandeln. Schließlich ist das Geld aus dem Strukturwandel attraktiv. Wie Fachbereichsleiterin Ute Freund erklärte, liegt dort der Eigenanteil bei niedrigen fünf Prozent.
Stellt sich die Frage, warum es die Stadt verschlafen hat, die Bürger und Räte in die Diskussion um die drei Ringschluss-Varianten einzubinden. Eine genaue Antwort erhält man dazu nicht. Sicher, mit Amtsübernahme des neuen OB Armin Müller ist eine Einarbeitungszeit verbunden. Hinzu kommen die Pandemie und damit verbundene Krankheitsausfälle. Doch Versäumnis bleibt Versäumnis, hier sogar mit Ansage. Man werde nun schauen, heißt es aus dem Rathaus, wie man in den kommenden Wochen eine Bürgerbeteiligung in Pandemiezeiten organisieren kann.
Zu steil für die alten Bahnen?
Ein weiterer Punkt, warum die Diskussion über die drei Varianten bisher nicht öffentlich stattgefunden hat, dürfte die Einigkeit von Stadt und Straßenbahn GmbH sein. Die längeren Varianten, über die Weimarer Straße oder unterhalb des Doms entlang, werden als zu teuer und im Betrieb als zu unwirtschaftlich eingeschätzt. Diese Meinung unterstrich gestern noch mal „Ille-“Geschäftsführer Andreas Plehn gegenüber unserer Zeitung. Ein wichtiges Argument, das in den beiden bisherigen Studien zu den Varianten noch nicht offensichtlich wurde: „Nur bei der Strecke über den Lindenring könnten wir unsere historischen Wagen im Betrieb halten.“ Wie Plehn erklärt, dürfe man mit den alten Straßenbahnen auf Neubau-Strecken ein maximales Gefälle von sechs Prozent befahren, dieses wäre jedoch am Moritzberg (längste Variante) und am Kramerplatz (mittlere Variante) überschritten. „Selbst an der Bergstraße mit 5,7 Prozent merken wir ja manchmal bei Nässe schon, wie man ins Rutschen kommt“, so Plehn.
Er selbst werde trotz seiner klaren Haltung „pro Lindenring“ für Diskussionen offen sein. Und falls es klare politische Bekenntnisse gäbe, eine teurere Variante zu bauen und dort ein größeres finanzielles Defizit zu akzeptieren und auszugleichen, so werde man als Unternehmen dort fahren.
Es bleibt also spannend, sowohl in der Frage, welches Stimmungsbild in der Bevölkerung herrscht, wenn diese von der Stadt ausführlich informiert und nach ihrer Meinung gefragt wird, und welche Strecke die Ratsfraktionen bevorzugen. Daniel Sturm etwa hält von der Lindenring-Variante wenig. „Ich persönlich bin ein Verfechter der Strecke unterhalb des Doms entlang“, sagt er. Man müsse trotz angespannter Haushaltslage nicht zwingend die günstigste Variante wählen.