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Posaunenklänge für den Landarzt

Von HELGA HEILIG 21.07.2011, 06:52

MERTENDORF. - Bürokratie ist wandlungsfähig

"Keiner wollte damals die Außenstelle der Kreispoliklinik in Mertendorf übernehmen", erinnert sich Ehefrau Cornelia, seit 20 Jahren die rechte Hand in der Praxis. Und der Landarzt amüsiert sich noch heute, wenn er an die Anfänge denkt, denn bürokratisch ging es auch in der DDR zu: "Es gab eine Bedarfsregelung, die besagte, dass jedem Anspruchsberechtigtem pro Monat eine Kulimine zusteht", erzählt er lachend. Kuliminen wurden nach der Wende zur Nebensache, es ging um viel mehr. Das Ehepaar Weitsch stand 1990 vor der Entscheidung, finanziell so einiges auf sich zu nehmen. Die Immobilie, in der sich die Praxis heute noch befindet, wurde gekauft, und die freie Niederlassung eingerichtet. Die Umstellung auf das neue Abrechnungssystem kostete viel Zeit und Nerven. Zweimal wurde in das Gebäude investiert.

Täglich rund 100 Patienten

Begonnen hat der Doktor, wie er kurz und knapp im Wethautal genannt wird, mit 1 247 Patienten im Quartal. Jetzt sind es zwischen 1 700 und 2 000. Täglich suchen rund 100 Menschen die Praxis auf. "Das ist alleine nicht mehr zu schaffen", sagt Weitsch. Mit seinem Sohn Karl-Georg Freiherr Schoultz von Ascheraden gründete er im März die Landärzte GbR. Eine Zeit lang sah es so aus, als ob es für ihn keinen Nachfolger geben würde. Weitsch befürchtete schon, als "letzter Arzt des Wethautals" in die Geschichtsbücher einzugehen.

Das Gute an seinem Beruf sei, dass er sich um die Belange der Kranken kümmern und die richtigen Therapiemöglichkeiten einsetzen kann. Therapeutische Reglementierungen der Krankenkassen und die immer mehr um sich greifende Bescheinigungswut, das gehe ihm dagegen mächtig gegen den Strich. Schon länger als 25 Jahre widmet er sich der alternativen Medizin. Patienten aus nah und fern reisen nach Mertendorf, um sich zum Beispiel mittels Akupunktur behandeln zu lassen. "Wer gesund bleiben will, sollte seine innere Mitte finden", lautet der Ratschlag des Landarztes. "Alle Extreme sind schädlich", warnt er.

"Hoch soll er leben" erschall, nachdem Bernd Donath auf den Doktor eine Lobrede gehalten hatte. "Vielen von uns sieht er bereits seit 25 Jahren in die Augen, lässt sich die Zunge zeigen, zählt den Puls und hört am Herzen. Meistens geht es uns schon besser, wenn wir aus der Praxis herauskommen",so Donath, und weiter: "Viele Dienstleister sind auf dem Lande verschwunden, aber Weitsch und sein Team sind geblieben." Mit Weitsicht habe er für den Nachfolger gesorgt. Es sei ein gutes Gefühl, dass die Praxis nun weitergeführt wird. Dafür, dass Landarzt Weitsch und die Mitarbeiter stets für die Kranken da sind, dankte Donath.

Vorbild an Hilfsbereitschaft

"Er ist ein Vorbild an Hilfsbereitschaft, Verständnis und Gelassenheit", sagte im Anschluss Heidrun Benseler. Bevor der Landarzt und sein Team die Gäste zu einem Umtrunk und Häppchen einlud, hatte er noch etwas zu geben: 1 000 Euro für das Geläut der Mertendorfer Kirche. Das Geld nahm der Vorsitzende des Kirchengemeinderates, Matthias Knebel, dankbar und mit Freude entgegen. "Ich hoffe, dass wir das Geläut in zwei Jahren wieder hören können", meinte er.