1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Naumburg
  6. >
  7. Serie: 1.000 Jahre Naumburg - 1.000 Bürger: Mit Töpferscheibe auf Peter-Pauls-Messe - Steckbrief von Christian Wolff

Serie: 1.000 Jahre Naumburg - 1.000 Bürger Mit Töpferscheibe auf Peter-Pauls-Messe - Steckbrief von Christian Wolff

2028 wird Naumburg 1.000 Jahre alt. Tageblatt/MZ hat ein ehrgeiziges Ziel: 1.000 Bürger per Steckbrief vorzustellen. Heute: Töpfermeister Christian Wolff.

04.05.2023, 08:54
Töpfermeister Christian Wolff im Keramik-Museum in Naumburg.
Töpfermeister Christian Wolff im Keramik-Museum in Naumburg. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - Die Domstadt an Saale und Unstrut wird 1.000 Jahre alt - und für so ein bedeutendes Jubiläum kann man sich auch mal ein riesiges Ziel setzen. Das von Tageblatt/MZ heißt: 1.000 Bürger unserer Stadt zu Wort kommen zu lassen, und zwar mittels Fragebogen. Ausgefüllt haben diesen bereits Handwerksmeister Harry Emse, Studentin Aurelia Knispel, Restaurator Friedhelm Wittchen und Stadtführerin Monika Elstner. Und heute? Ist ein Töpfermeister und Museumsbetreiber an der Reihe.

Name, Alter, Tätigkeit:

Christian Wolff, 67, Töpfermeister, Fachlehrer für Keramik, mittlerweile Rentner

Ich lebe in Naumburg seit:

1972. Geboren und aufgewachsen bin ich in Halle. Gern hätte ich Archäologie oder Kunstgeschichte studiert, durch die starke christliche Prägung meines Elternhauses wurde mir aber die Chance aufs Abitur verwehrt. So unterschrieb ich einen Lehrvertrag beim Naumburger Töpfer Keilbar in der damaligen Ebert-, der heutigen Jägerstraße, der dann aber schon bald zum VEB Holz gehörte. Schade, ich wäre lieber bei einem Privatbetrieb geblieben. Im VEB wurde ich dann auch Geselle und Meister, leitete ein Jahr die Abteilung, ging dann zur NVA, danach aber nicht zurück, weil ich an der exportorientierten Massenproduktion des VEB Holz kein Interesse hatte. Nach einer Zwischenstation in Friedland bei Beeskow wurde ich 1980 Fachlehrer für angehende Töpfer, erst in Eisenberg, ab 1985 in Naumburg. Bis 2016 habe ich über 1.000 Lehrlinge ausgebildet, was mir viel Freude bereitet hat. Nebenbei habe ich auch immer in der Werkstatt meiner Frau Eva-Maria Pintz mitgetöpfert.

Meine schönste Kindheitserinnerung:

Wir haben, als ich Kind war, ständig Ausflüge gemacht, nicht nur in und rund um Halle, sondern auch nach Naumburg, in den Dom und zum Wandern in den Blütengrund. Nicht mehr ganz Kindheit, aber dennoch eine tolle Erinnerung: die Peter-Pauls-Messe zur 950-Jahr-Feier. Ich gehörte mit meiner Töpferscheibe zu den vielen Handwerkern, die ihr Metier zeigen durften - Hufbeschlag, Böttcherei, Glaskunst, das war toll und ist heute zum Kirschfest leider nur noch wenig präsent.

Das macht mich glücklich:

Aktiv-, Camping- und Kultururlaub mit meiner Frau, das Treffen alter Schüler und Kollegen auf Töpfermärkten, das Bewahren von Handwerkstraditionen hier in meinem Keramikmuseum in der Burgstraße, das ich nach Absprache für Interessierte öffne.

An meinem Beruf mag ich/mag ich nicht:

Mit den Händen, unserem wichtigsten Werkzeug, im Ton zu sein. Die Weitergabe des Fachwissens an die nächste Generation. Was mich traurig macht: dass Naumburg als Töpfer-Lehrstandort 2016 aufgegeben wurde. Und dass es kaum noch Nachwuchs in dieser Branche gibt, in Sachsen-Anhalt ist in diesem Jahr kein einziger Lehrling. In der DDR hatten wir in einem Jahr mal eine Klasse, da waren es 67.

An einem schönen, sonnigen Tag in Naumburg ...

setze ich mich aufs Fahrrad oder bin ich in unserem Garten am Ortsausgang Richtung Schönburg.

An einem regnerischen Tag ...

werkle ich an der Ausstellung im Museum herum. Außerdem bin ich auch anderweitig im Handwerk ehrenamtlich aktiv, etwa in der Innung oder als Juryvorsitzender bei den Handwerksmeisterschaften. Am stärksten befasse ich mich aber gerade mit dem Antrag, das „Töpferhandwerk in Mitteldeutschland und Brandenburg“ als Immaterielles Kulturerbe bei der Unesco anerkennen zu lassen.

Ich bewundere weltweit/in meinem persönlichen Umfeld:

Menschen, die sich engagieren und es schaffen, auch bei anderen dieses Feuer zu entfachen. Als Beispiel in Naumburg fällt mir das Ehepaar Burkhardt ein, dem wir das wunderbare „Turbinenhaus“ verdanken. Weltweit ist Martin Luther King zu nennen, aber auch alle anderen, die sich für Menschenrechte einsetzen.

In meinem Leben bereue ich:

Gar nichts, obwohl ich wirklich eine ganze Weile über die Frage nachgedacht habe.

Mein Lieblingsgeschäft in Naumburg war/ist:

Früher war es die Kunstschmiede von Hermann Kästner in der Salzstraße. Das war schon beeindruckend, was der aus einem Stück Eisen alles schmieden konnte. Auch sind meine Frau und ich immer gerne zu Gabi Klieme in den „Krug“ gegangen. Heute trifft man uns eher mal bei Maria im griechischen Lokal in der Bürgergartenstraße.

Das war früher hier besser und das schlechter:

Es gab durch die Postfach- und Agraringenieurschule oder auch das Proseminar, wobei das eine oder andere Bier in der damaligen „Othmarsquelle“ getrunken wurde, viel mehr Jugend in Naumburg. Das war sehr belebend. Positiv: Das Grau von früher wurde durch Bunt abgelöst.

Einem Fremden würde ich in meiner Stadt als Erstes zeigen:

Die Altstadt mit Jüden- oder Wenzelsgasse, das Theater, die Museen - und im Dom die vielen kleinen, versteckten Figuren wie etwa die Eidechse, dazu das romanische Kreuz in der Krypta.

Das wünsche ich Naumburg für die nächsten 100 Jahre:

Attraktive, niveauvolle Geschäfte für eine belebte Innenstadt, viele engagierte Menschen und vielleicht ein Handwerksmuseum.

Als einer der Nächsten sollte diesen Steckbrief ausfüllen:

Pfarrer Michael Bartsch